Hirschgulasch
in der Hotelbar, im Fitnesscenter, in der Sauna oder vor dem
Fernseher parkst? Da hätte ich auch genauso gut in Frankfurt bleiben oder
alleine nach Cannes fliegen können.«
»Mandy, ich brauch dich hier noch. Du bleibst hier, verstanden? Ich
finde heraus, was der Russe für Infos hat, die ich noch nicht habe, und du
hältst mir den Rücken frei und kümmerst dich darum, dass die Bullen antanzen,
wenn ich in Schwierigkeiten gerate. Stell dir vor, die drei steigen in den
Bergen herum und haben sich sogar eine komplette Höhlenausrüstung besorgt.
Verstehst du?«
»Nein.«
»So doof kann man doch nicht sein, Mandy! Das sieht nach einer ganz
großen Sache aus. Das ist unser Jackpot. Und den lasse ich mir weder von Jurijs
Mann wegnehmen, noch werde ich es zulassen, dass er die drei beseitigt, bevor
ich weiß, was sie herausgefunden haben. Und wo der Schatz steckt, nach dem sie
suchen.«
»Wie viel ist der denn wert?« Über den nebensächlichen Ton, den
Mandy ihrer Stimme gibt, kann von Reichenberg nur lachen.
»Woher soll ich das wissen? Wahrscheinlich ein paar Millionen. Sonst
würden sich diese Amateure doch nicht mit Jurij anlegen, so blöd sind die auch
nicht. Also dann …«
»Pass auf dich auf, Schatzi!«
Von Reichenberg grunzt.
»Ja, ja, du musst nichts sagen. Ich weiß ja, dass du deine Gefühle
nicht ausdrücken kannst.«
»Mandy!«, droht von Reichenberg.
»Also dann sieh zu, dass du herausfindest, wo der Schatz ist, und in
drei Stunden ruf ich bei den Bullen an.« Mandy legt auf.
Zurück auf der Terrasse setzt von Reichenberg seine schwarze Ray Ban
auf, lehnt sich zurück und hält sein Gesicht in die Sonne. Als der Schatten der
Bedienung über ihn hinweghuscht, sagt er: »Zahlen«, genießt noch für ein paar
Minuten die Frühlingssonne, bevor er sich aufrafft, sein Vorhaben in die Tat
umzusetzen.
Von Reichenberg hat keinen großen Sinn für Geschichte, die nicht
seine eigene ist. Aber auf der Reise nach Berchtesgaden und seit er hier ist,
hat er sich eingelesen. Mitten im ehemaligen Führersperrgebiet der Nazis liegt
das Hotel zum Türken, das nach Enteignung durch die Nationalsozialisten der
Reichssicherheitsdienst nutzte, dessen Aufgabe es war, die Nazibosse am
Obersalzberg zu schützen. Obwohl durch die Bombardierung schwer beschädigt,
wurde das Hotel zum Türken nach dem Krieg rückübereignet und von seinen
Besitzern wieder aufgebaut.
Den Charme der dreißiger bis fünfziger Jahre strahlt dieses Hotel
bis heute aus. Es ist dunkel, abweisend und, wenn man ehrlich ist, eigentlich
auch ein bisschen abstoßend. Nicht die Architektur und die veraltete
Ausstattung ist der Trumpf des Hauses, sondern ein eigener Zugang zur alles in
allem sechs Kilometer langen Bunkeranlage am Obersalzberg. Das macht es zum
Ziel vieler Besucher. Amerikaner, Engländer und Deutsche, Ahnungslose und
Gestrige steigen hier im Hotel ab, das einmal in der Mitte des Machtzentrums
der Nazis lag.
Zweifelte von Reichenberg noch vor ein paar Tagen daran, ob es ihm
gelingen würde, die Spur der drei Ukrainer noch aufzunehmen, so hat sich für
ihn nun alles prächtig entwickelt. Nicht nur weil er die Ukrainer entdeckt hat
und schon ausspähen konnte, dass sie sich auf eine große Untertagemission
vorbereiteten. Auch die Entdeckung Wladimirs, der im Auftrag Jurijs die drei
aufspüren und irgendwann erledigen würde, scheint ihm eine gute Fügung. Und er
ist sich ganz sicher, dass er von Wladimir Entscheidendes erfahren wird.
Als von Reichenberg das Hotel zum Türken betritt, sind die Gäste
gerade beim Abendessen, die Rezeption ist unbesetzt. Schlüssel Nummer 11
hängt zusammen mit einigen anderen hinter dem Tresen. Von Reichenberg schnappt
sich den Schlüssel und wischt vorbei.
Zimmer elf liegt im ersten Stock. Die Türschlösser sind ebenso
historisch wie das ganze Gebäude, und von Reichenberg braucht keine Minute, bis
er das Schloss geknackt hat. Das Zimmer ist aufgeräumt. Im Badezimmer ein
Elektrorasierer, eine Zahnbürste, ein Kulturbeutel, Handtücher und Bademantel
des Hotels. Neben der Zimmertür, auf der Kofferablage, eine braune Reisetasche,
daneben eine fast volle Flasche Wodka.
»Na dann prost, Brüderchen!«, flüstert von Reichenberg.
Ein Kofferradio aus Sowjetzeiten steht auf dem kleinen Schreibtisch,
daneben ein Notebook. Von Reichenberg klappt den Deckel auf. Reichenberg hat
Glück, der Rechner ist nicht ausgeschaltet, erwacht sofort, sodass er ohne
Passworteingabe in das System kommt.
Es dauert nur
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