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Hirschgulasch

Hirschgulasch

Titel: Hirschgulasch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graf-Riemann/Neuburger
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Diskothek zu fahren.
Bleiben will er selbst nicht mehr, er muss am nächsten Tag wieder früh
aufstehen.
    Das Privattaxi fährt die kleine angeheiterte Gruppe durch
Berchtesgaden. Rechts ist das für den Ort zu groß geratene, grundhässliche
Bahnhofsgebäude zu erkennen. Im Kreisverkehr überqueren sie den Fluss, ein Kino
wirbt mit drei Plakaten in einem beleuchteten Schaukasten, eine Metzgerei, eine
Bäckerei, ein Edeka, ein Getränkemarkt, und draußen sind sie aus dem Ort. Nach
ein paar Kilometern auf der Landstraße lädt ihr Chauffeur sie vor einer
alpenländisch anmutenden Berghütte ab. In dem modernen Anbau ist eine Diskothek
untergebracht. »Ü30« heißt der Abend, und das ist zwar der blanke Euphemismus,
sieht aber besser aus als Ü40. Schreckt jedenfalls nachhaltig die
Ü20-Generation ab, weil sie Angst hat, beim gepflegten Oldie-Abend auf ihre
Eltern zu treffen.
    »I beliiiiiiiiieve in angels!« Marjana zieht Luba gleich ausgelassen
auf die Tanzfläche.
    Können die beiden nicht warten, bis wir angekommen sind, einen Platz
gefunden und eine Runde Bier bestellt haben? Und vor allem bis jemand sie
auffordert?, denkt Wiktor. Peinlich ist das, wie Marjana und Luba den Songtext
mitgrölen. Mit diesen beiden Hühnern kann man einfach nicht anders als
auffallen.
    Eine Frau schlängelt sich zwischen den runden silbernen Tischen über
die Tanzfläche auf die Bar zu. Sie sieht knackig aus. Sportlerin. Beide Hände
stecken ein wenig verkrampft in den Po-Taschen ihrer Jeans. Sie stellt sich
neben Wiktor an den Tresen und unterhält sich mit dem Barmann. Er zapft ihr ein
Bier. Sie trinkt und dreht sich mit dem Glas in der Hand zum Lokal, sieht kurz
hinauf zur Galerie. Von der Decke hängt eine Diskokugel, deren Spiegelflächen
die farbigen Lichter reflektieren.
    Wiktor kann die Nähe der Frau fast körperlich spüren. Ihr zum Zopf
geflochtenes Haar hat die Farbe von Weizen. Ist sie allein? Es ist ihm egal.
Als die Musik wechselt, fragt er sie, ob sie tanzen will. Sie ist überrascht,
verlegen. Will sie vielleicht auch lieber allein oder mit einer Frau tanzen?
Aber Wiktor steht schon vor ihr und wartet, und es sieht so aus, als könne sie
ihm nicht mehr entkommen.
    Sie folgt ihm auf die Tanzfläche. Wiktor nimmt ihre Hände. Er will
nicht, dass sie getrennt tanzen. Discofox. Wiktor erinnert sich noch an einige
Figuren. Die blonde Frau macht alles mit. Es läuft gut, Wiktor bemerkt, dass
die anderen Tänzer sie beobachten. Auch Luba und Marjana.
    Das sieht ihnen wieder ähnlich, dass sie ihm das nicht zugetraut
haben. Wenn sie es gewusst hätten, hätten sie sich um ihn gerissen. Aber jetzt
hat die Blonde mit dem Zopf das große Los gezogen. Wiktor fragt sie auf
Englisch, ob sie von hier sei. Sie nickt. Als er sie fragt, ob sie auf einem
Bauernhof lebe, mit Kühen und Schweinen, nickt sie wieder und lacht.
    Beim nächsten engen Tanz erfährt er, dass sie Magdalena heißt. Sie
fragt ihn nicht nach seinem Namen, er sagt ihn trotzdem. Doch sie hört ihm gar
nicht zu. Sie wirkt, als träume sie. Er zieht sie näher zu sich heran, sie
setzt Widerstand entgegen. Da sie auf diesem Abstand zwischen ihnen besteht,
wandert zumindest seine Hand über ihre Hüfte, und seine Fingerspitzen streichen
über den Streifen freier Haut zwischen dem engen T-Shirt und dem Bund ihrer Jeans.
Er merkt, wie sich ihre Bauchdecke anspannt, wie sie kurz die Luft anhält und
sich dann wieder langsam entspannt, und hat den Eindruck, dass ihr die
Berührung nicht unangenehm ist. Sie kommt zwei Zentimeter näher und schließt
die Augen.
    In der Tanzpause überlegt er fieberhaft, was er sagen könnte, bevor
sie sich umdrehen und fortgehen kann. Aber noch während er nachdenkt, kommt ein
großer Mann in Jeans und Holzfällerhemd auf sie zu und lädt Magdalena ein, mit
an einen Tisch auf der Galerie zu kommen, wo schon eine Gruppe von Leuten steht
und ihr zuwinkt. Freunde.
    Wiktor begreift, dass sie gleich fort sein und ihn wie einen
verstoßenen Hund auf der Tanzfläche stehen lassen wird. Die Musik setzt gerade
wieder ein. Endlich die ABBA -Ablösung. Da nimmt
sie seine Hände, stellt sich auf die Zehenspitzen und drückt ihre Wange an
seine. Ihre Lippen berühren fast sein linkes Ohr. »Ciao!«, flüstert sie und
dreht sich weg, holt ihr Bier vom Tresen und folgt ihrem Bekannten – oder
ist es ihr Freund? – nach oben auf die Galerie. Bevor Wiktor ebenfalls zum
Tresen tapsen kann, schnappt eine Hand nach seiner und zieht ihn zurück auf

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