Hirschkuss
Anthraxangriff! Oder wenigstens für einen Testlauf!«
»Nix für ungut, Sepp, aber jetzt red’st einen rechten Larifari. Ein Anthraxangriff im Bergwald – das ist der größte Mumpitz, den ich seit der Erfindung des Denkmalschutzes gehört hab!«
»Aber Weltkriegsmunition haben wir doch auch gefunden im Wald!«, argumentierte Kastner hilflos.
»Jetzt horch einmal her: Der Weltkrieg, das war vor siebzig Jahren. Und Biokampfstoffe, das ist heute. Das beides hat überhaupts nix miteinander zum tun. So schaut’s aus, meine Herren!« Nonnenmacher stand kopfschüttelnd auf und ging mit der leeren Flasche zum Kühlschrank.
»Ich halte Ihre Hypothese auch für etwas abstrus, Herr Kollege Kastner, aber ich finde es dennoch gut, dass Sie sie geäußert haben«, kommentierte Schönwetter sachlich. »Wir müssen alles Erdenkliche in Erwägung ziehen.«
»Und das nicht Erdenkliche auch, meine ich!«, rief Kastner. »Es werden doch immer mehr Russen im Tal! Ein Haus nach dem andern kaufen’s auf! Dass da der KGB auch irgendwann auf der Matte steht, ja, da könnt’s Gift drauf nehmen!«
»Den KGB gibt es gar nicht mehr«, wandte Anne ein. »Den gab es zu Sowjetzeiten.«
»Dann halt der KPD «, verteidigte sich Kastner.
»Das ist eine Partei, Seppi. Komm, jetzt lass es gut sein, du redest Mist.« Anne blickte noch einmal auf die Uhr. »Wir wollen doch alle nach Hause ins Wochenende.«
»Genau«, stimmte Schönwetter der Kollegin bei. »Lassen Sie es uns kurz machen: Ich denke, wir sollten uns bei den weiteren Ermittlungen ganz auf das Opfer konzentrieren.«
»Das heißt?«, fragte Nonnenmacher, der jetzt mitten im Raum stand und sich gerade eine zweite Bierflasche öffnete.
»Das heißt, Sie durchsuchen noch einmal die Wohnhäuser des Verstorbenen – das hier am See und das in Düsseldorf – sowie sein Büro in der Zentrale der Bio Wood World AG . Mit dem Haus am See fangen Sie unverzüglich an – und dann, step by step, arbeiten Sie die anderen Plätze ab.«
»Wie meinen Sie das – ›unverzüglich‹?«, platzte Nonnenmacher hervor. »Doch nicht etwa heute noch? Ich muss ins … Bräustüberl.«
»Nein, es reicht, wenn Sie das morgen tun.«
»Morgen.« Nonnenmacher schluckte. Alle Augen waren jetzt auf ihn gerichtet, obwohl auch Anne und Kastner mindestens einen guten Grund hatten, die Anweisung des Kripochefs nicht gut zu finden.
Als Nonnenmacher sich von dem Schock erholt hatte, sagte er: »Aber morgen ist Samstag, also Wochenende!«
»Das Verbrechen kennt kein Wochenende, Herr Kollege«, entgegnete Schönwetter ungerührt.
»Arsch…geweih«, entfuhr es Nonnenmacher leise. Schönwetter war nicht anzusehen, ob er die gewagte Aussage gehört hatte.
»Können wir das nicht am Montag machen?«, sprang Anne dem Inspektionschef zur Seite. Auch sie sah ihr Wochenende in Gefahr. »Ich meine, ob wir das morgen machen oder am Montag – davon wird Herr Mattusek doch auch nicht wieder lebendig.«
»Nein, Frau Loop, das wird morgen gemacht. Wir haben hier bereits viel zu viel Zeit vergeudet. Es ist jetzt genug mit bayerischer Gemütlichkeit …« Schönwetter zögerte und sah zu Nonnenmacher, der gerade ein weiteres Mal die Flasche an den Mund setzte. »… und das Trinken im Dienst lassen wir in Zukunft auch mal lieber bleiben. Ansonsten werden wir hier einige unangenehme Maßnahmen ergreifen müssen.«
Kurz darauf verließ der Kripomann flipfloppend den Raum und drei unzufriedene Polizisten sowie ein qualmender Pathologe starrten ihm böse hinterher.
»Kurt, du hätt’st einfach mit dem Bier warten sollen, bis der Depp weg ist!«, warf Kastner dem Chef vor. »Das hat den provoziert. Und das ist jetzt die Quittung!«
Nonnenmacher antwortete hierauf nichts. Stattdessen öffnete er sich eine dritte Flasche. Sollte ihm der Hanswurst aus der Stadt doch den Buckel herunterrutschen. Seit er mit vierzehn das heilige Sakrament der Firmung empfangen hatte, trank er Bier, wann er Lust dazu hatte. Und diesen Genuss würde er sich von so einem dahergelaufenen Flipflop-Fuzzi garantiert nicht verbieten lassen.
Anne radelte nicht direkt nach Hause, sondern kaufte noch eilig einen Rucksack voller Grillsachen ein und holte dann Lisa vom Hort ab.
»Wie siehst du denn aus!«, entfuhr es ihr, als sie Arme und Gesicht der Tochter sah. Die Haut war feuerrot. »Warum habt ihr euch nicht mit Sonnencreme eingeschmiert?«
»Keinen Bock gehabt«, meinte Lisa. »Krieg ich ein Eis?«
Anne verneinte, weil man ja gleich zu
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