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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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beirren. »Hier ischt meine Karte.« Er hielt ihr eine Visitenkarte hin, Anne warf einen Blick darauf.
    Grau, geschmacklos glänzend lackiert, unmöglich verschnörkelte Schrift. Anne rümpfte die Nase.
    »Falls Sie jemals …« Achleitner zögerte und musterte ihren Körper von oben bis unten, als wäre sie eine Schweinehälfte und er Metzger. »… Luscht auf eine Wiederbegegnung haben.« Anne fröstelte. »Sie wisset ja, dass Sie genau mein Typ sind, Beuteschema hoch drei.«
    Anne nickte, während sich alles in ihr aufbäumte.
    »Ich meine …« Achleitner blickte zu den auf der anderen Seeseite sichtbaren Wall-, Setz- und Ringbergen. »… letztlich liebe ich zwar mein Mädchen in Thailand, aber …« Sein Blick ging noch immer an Anne vorbei. »… aber eine deutsche Frau wäre mir natürlich auch ganz recht.«
    Anne verspürte einen Brechreiz.
    »Na ja, wie dem auch sei: Als Polizistin verdienet Sie wahrscheinlich nicht wahnsinnig viel. Bei mir dagegen lauft’s ziemlich gut, businessmäßig. Kohle ischt vorhanden. Dies nur zur Info … Nun gut, am beschte erreichet Sie mich per E-Mail. Ich bin jetzt erscht einmal wieder in Thailand. Und dann mal sehen …« Anne nickte wie ferngesteuert. Sie fühlte sich wie gelähmt.
    Als sie nach der Verabschiedung von Achleitner wegjoggte, glaubte sie, dessen Blick auf ihrem Po zu spüren. Das einzige Wort, an das sie denken konnte, war ›Wichser‹.
    Der Nieselregen hatte aufgehört, erste zarte Sonnenstrahlen tasteten sich durch den Wald. Der Harzgeruch der Bäume erfüllte die Luft. Anne dachte erneut an Johann. Wieder dieses Gefühl im Bauch. War sie denn nun in ihn verliebt? Oder war dieser Gefühlsüberfall nur die Summe der Faktoren Frühling, Einsamkeit und Sehnsucht nach Nähe? Und wie ordnete Johann ihr Verhältnis ein? War er verliebt? Wäre er geblieben, wenn er nicht nach Berlin hätte fliegen müssen? Schob er seine berufliche Angespanntheit nur vor? Würde Johann heute Abend da sein?
    Anne lief ein Jogger entgegen, er trug Kopfhörer und grüßte kurz. Anne grüßte zurück, doch ihre Gedanken kreisten noch immer um Johann: Hatte sie ihre letzte Beziehung zu Bernhard überhaupt schon ausreichend verarbeitet? ›Ich muss mich auf mich selbst konzentrieren‹, nahm Anne sich vor. ›Ich muss mich schützen.‹
    Sie lauschte den Geräuschen des Waldes: Weit oben in den Baumkronen war das »Si, si« der Tannenmeise zu hören. Zwischen den »Pink, pink«-Alarmrufen des Buchfinks konnte man auch das Klopfen des Buntspechts identifizieren. Ein Rotkehlchen zwitscherte ganz in der Nähe, aber sehen konnte Anne es nicht. Die Polizistin war bereits zwanzig Minuten in den Wald hineingelaufen, es ging kontinuierlich steil bergauf, da hörte sie Männerstimmen von unterhalb des Wanderwegs. Waren es die Holzfäller? Anne ging noch ein Stück weiter, eigentlich wollte sie die Männer nicht schon wieder mit Fragen belästigen. Doch je länger sie lauschte, umso mehr kam es ihr vor, als stritten die Stimmen wütend miteinander. Was war der Hintergrund der Auseinandersetzung?
    Anne blieb stehen und beschloss, den Weg zu verlassen, um quer durch den Wald in Richtung der Männer talwärts zu laufen. Das Laub raschelte unter ihren Sportschuhen. Je näher sie den Stimmen kam, umso deutlicher wurde, dass sie tatsächlich stritten. Schon konnte Anne die Gestalten sehen. Es waren nur zwei Männer, und es waren nicht die Holzfäller. Worum drehte sich ihr Streit? Hinter dicken Fichten- und Buchenstämmen Deckung suchend, pirschte Anne sich bis auf etwa zwanzig Meter an die Männer heran. Den einen kannte sie, es war Wolfgang Mattusek, der Waldinvestor. Den anderen hatte Anne noch nie gesehen. Er trug lederne Bergschuhe und braun-grüne Kleider. Auf dem Kopf hatte er einen braunen Hut aus Lodenstoff, sein Dreitagebart war dunkel mit grauen Einsprengseln. Der Unbekannte, neben dem ein braun-grau gescheckter Hund in aufrecht wacher Haltung saß, warf Mattusek gerade vor, dass er sich ganz offensichtlich »um die Natur kein bisschen scheiße«.
    »Das lasse ich mir von Ihnen nicht vorhalten«, entgegnete Mattusek ebenso lautstark. »Wir haben das naturnahe Wirtschaften ja sogar im Namen unserer AG festgeschrieben. Bio, das ist bei uns Programm, unser gesamtes Konzept ist Bio, Sie Bauerntölpel!«
    »Burschi, jetzt reißt dich aber am Riemen, sonst fangst du eine Fotzen, dass du nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Wald rausfindest! Wie viel Wild ich schieß, das entscheid ich. Die

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