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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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mit dem Verschwinden von der Frau Nikopolidou eigentlich nix zum tun haben kann. Wenn es ein Raubmord oder irgend so etwas gewesen sein sollte – warum haben die Täter das Geld dann nicht mitgenommen?«
    »Vielleicht haben sie es nicht gefunden«, wandte Anne ein.
    »Aber das findet doch jeder Depp! Gut versteckt war das ja wirklich nicht.«
    Ohne auf Nonnenmachers Einwurf einzugehen, dachte Anne weiter laut nach: »Und was ist mit der Bank? Wenn das Geld von dort stammt?« Sie zögerte. »Dann müsste es irgendwo fehlen. Die Banken haben mittlerweile so genaue Kontrollmechanismen, dass da selbst kleinere Beträge binnen Kurzem auffallen.«
    »Nicht unbedingt«, widersprach Nonnenmacher. »Man liest doch immer wieder von Fällen, wo Bankmitarbeiter kleine Beträge von den Konten ihrer Kunden abgezweigt und auf eigene Konten umgeleitet haben. Und das über Jahre und ohne dass es jemand gemerkt hätte.«
    »Aber dazu müsste Frau Nikopolidou ein Konto unterhalten haben.« In der Ortsmitte bogen sie links ab, um an der Westseite des Sees zurück zur Polizeiinspektion zu fahren. »Und sowohl Hannas Vorgesetzter, dieser komische Heinzelsperger, als auch die Kollegin Jane Kramermayer haben versichert, dass es im Zusammenhang mit den von Frau Nikopolidou getätigten Geschäften zu keinen Unregelmäßigkeiten gekommen sei.«
    »Kann natürlich gelogen sein«, meinte Nonnenmacher.
    »Warum sollten sie lügen?«
    »Weil sie selbst Dreck am Stecken haben.«
    »Oder weil es natürlich eine schlechte Außenwirkung hat, wenn die Kunden erfahren, dass es bankintern zu irgendwelchen Unregelmäßigkeiten gekommen ist.« Anne wischte sich die Haare aus der Stirn und sinnierte. »Und dann gibt es noch diese Katja Engels, die mit auf das Wellnesswochenende kommen wollte, aber dann kurzfristig abgesagt hat. Wegen einer Darmgrippe …«
    »… für die es kein Attest gibt«, fügte Nonnenmacher an. »Aber muss man jetzt wegen jedem Verdauungsproblem gleich zum Arzt rennen?«
    »Vielleicht schon, wenn man nicht gerade eine so patente Frau wie die Ihre ist, die dank der akribischen Lektüre von Apotheken- und Frauenzeitschriften stets auf dem neuesten Stand der Medizin ist«, neckte Anne ihren Vorgesetzten und wunderte sich, dass sie momentan so gut mit ihm harmonierte.
    Zurück in der Dienststelle schnappte sich Anne ihr Fahrrad und begab sich auf den Heimweg. Ihre Tochter Lisa war bereits allein vom Hort nach Hause geradelt und baute gerade im Garten eine Hütte aus Stöcken. Anne betrat das Haus und überlegte, was sie jetzt noch schnell kochen könnte. Sie entschied sich für Butternudeln, denn Butternudeln waren so ziemlich das einzige Gericht, das Lisa ohne Diskussion aß.
    Während das Wasser heiß wurde, spürte die Polizistin plötzlich ein seltsames Ziehen im Bauch, das sie nicht recht einordnen konnte. Während sie durch das Fenster ihre Tochter beobachtete, die gerade in Selbstgespräche vertieft war, weil sie in ihrem Spiel mehrere Rollen auf einmal verkörperte, versuchte Anne, dem Gefühl in ihrem Inneren nachzuspüren, und kam zu dem Ergebnis, dass sie Sehnsucht hatte. Sehnsucht nach Nähe. Sehnsucht danach, gestreichelt zu werden. Zu hören, dass ihre Ohrläppchen an die Blätter von Glücksklee erinnerten. Ohne weiter darüber nachzudenken, suchte sie nach dem Telefon, fand es auf dem Sofa vor der großen, dem See zugewandten Fensterfront und wählte.
    »Grüß dich, Anne«, meldete sich Sekunden später seine Stimme.
    »Hallo Johann«, sagte Anne, es war fast gehaucht. Sie spürte plötzliche Nervosität in sich aufsteigen. »Ich …«, stammelte sie. Ihr wurde bewusst, dass sie völlig ohne Plan angerufen hatte. Was wollte sie denn jetzt von Johann? Er schwieg. Anne blieb ebenfalls stumm. Ihr fiel einfach nichts ein, was sie hätte sagen können. Es entstand eine Pause, in der sie Johann atmen hörte. Dann ertönten im Hintergrund Stimmen. »Bist du noch in der Kanzlei?«, fragte sie.
    »Ja, aber ich mache jetzt gleich Schluss. Mir reicht’s für heute. War ein Scheißtag.« Er zögerte. »Aber wenn ich rausschaue, dann sehe ich, dass die Abendsonne scheint.«
    »Ja«, seufzte Anne mädchenhaft und kam sich dabei bescheuert vor. Wieder folgte eine Pause, und sie spürte dieses Ziehen im Bauch. »Ich …«, fing sie an, doch just im selben Moment sagte auch Johann »Was …«, woraufhin beide abrupt stoppten und leise zu kichern anfingen.
    Aus der Sicherheit des Lachens heraus gelang Anne endlich ein klarer,

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