Hirschkuss
Durchsuchungsbeschluss aus!«
»Das Pornoheft!«, warf Kastner hektisch ein.
Anne nickte. »Na ja, und wir haben bei ihm ein sehr primitives Pornoheft gefunden. Also, ein wirklich extremst primitives.« Kastner nickte heftig.
»Also, Frau Loop, ich bitte Sie, das ist jetzt doch nicht Ihr Ernst, oder? Sie glauben doch nicht, dass ich auf Basis dieser lächerlichen Verdachtslage – Pornoheft und angebliches Frauenproblem – einen Durchsuchungsantrag riskiere! Ich bin doch nicht verrückt! Ich lege Ihnen nahe, sorgfältig weiter zu ermitteln, damit wir möglichst bald etwas Konkretes in der Hand haben. Bislang ist das nicht mehr als heiße Luft!«
»Fuck you«, sagte Anne Sekunden später, aber da war das Telefonat bereits beendet. »Weißt du was, Seppi? Wir machen das jetzt auf eigene Kappe.«
»Was?«, fragte Kurt Nonnenmacher, der just in diesem Moment Annes und Kastners Dienstzimmer betreten hatte.
»Ach, nichts.« Anne wich Nonnenmachers Blick aus.
»Was macht’s ihr auf eigene Kappe? Mit wem habt’s ihr gerade telefoniert?«
»Mit Schönwetter«, antwortete Anne widerwillig.
»Ah, mit meinem Lieblingskollegen, dem Herrn Oberpolizeischlumpf!« Nonnenmacher zögerte kurz. »Und, was sagt er?«
Kastner klärte den Dienststellenleiter über die neueste Sachlage auf, insbesondere darüber, dass ein Holzfäller behauptete, bei Mattusek eine Barbiepuppe gesehen zu haben. Anne rechnete damit, dass Nonnenmacher alles als völlig unbedeutend von sich weisen würde, so wie er den Fund des Pornohefts bereits verharmlost hatte. Doch die junge Polizistin täuschte sich. Ob es daran lag, dass Nonnenmacher generell auf Opposition schaltete, wenn es um Schönwetter, den Widersacher von der Kreisstadtkripo, ging? Jedenfalls sagte der Dienststellenleiter zu den überraschten Kollegen: »Dann schlage ich vor, wir machen jetzt Nägel mit Köpfen.«
Eine halbe Stunde später standen die drei Ermittler am Ende einer Sackgasse im Wohngebiet »Ackerberg« am Rande der nördlichen Seegemeinde vor einem eleganten Bungalowensemble, dessen hinterstes Gebäude, auf dem die Hausnummer 12 prangte, von Mattusek bewohnt wurde. Anne streckte sich, um über die etwa mannshohe Steinmauer einen Blick auf die Gebäude werfen zu können.
»Unter ›Wohnung‹ läuft das jetzt aber nicht mehr!«, meinte Anne und blickte auf das Anwesen, das von einem großzügigen, gepflegten Garten umgeben war.
»Da hat der Ludwig Erhard gewohnt, bevor er Bundeskanzler geworden ist«, teilte Kastner mit wichtigem Blick mit.
»Aha, aha, unter einem Kanzlerhaus macht man es also nicht. Mein lieber Herr Gesangsverein, euer feiner Herr Mattusek scheint mir schon ein rechter Pinkel zum sein. Geld hat der garantiert mehr wie der Kofler Vitus Heu!« Nonnenmacher sah sich um. Alle Gebäudeteile des Anwesens trugen flache Dächer und lebten von klaren geometrischen Formen.
»Das ist kein Haus, das ist eine Schuhschachtel«, meinte Nonnenmacher. »Also, was die Reichen für einen Geschmack haben …«
»Aber eine ziemliche Luxusschuhschachtel, Kurt. Weißt fei schon, dass das irgendso ein wichtiger Architekt hingestellt hat? Der hat auch am Deutschen Museum in München herumgebaut und, soweit ich weiß, sogar das Haus in Bonn entworfen, in dem wo der Bundeskanzler früher gewohnt hat.«
»Wissen’S, Frau Loop«, wandte Nonnenmacher sich nun an seine Kollegin, ohne auf Kastners Kommentar weiter einzugehen, »in einem strengen Winter ist so ein Flachdach ein rechter Scheiß. Da kannst dann jeden Tag den Schnee abschaufeln, sonst flackt irgendwann eine Lawine im Whirlpool.«
Dann blickte Kastner auf das Klingelschild der verwitterten Gegensprechanlage und rief überrascht aus: »Ja, schau dir das an: Da steht sogar noch ›L. Erhard‹. Wie wenn der leibhaftige …«, er zögerte kurz, »… Kanzler hier noch leben tät!« Dann klingelte er.
Als niemand öffnete, kommandierte der Chef: »Außenherum gehen!«
Die Ermittler umrundeten das Gebäude linksseitig und konnten, weil sich hier die Mauer nicht fortsetzte, auch einen Blick in den Vorhof werfen, in dem zwei weiße metallene Gartenstühle, ein runder Tisch und eine zusammengeklappte Tischtennisplatte standen. Sie schritten weiter an der einem Wiesengrundstück zugewandten Seite des Anwesens entlang und gelangten schließlich an die dem Tal zugewandte Seite. Vor bodentiefen Panoramafenstern öffnete sich zum See hin eine großzügige Terrasse mit Blick über Gut Kaltenbrunn hinweg. Die Ermittler
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