Hirschkuss
die Vermutung, dass Ihr Mann kein völlig durchschnittliches Sexleben hat. Wir glauben, er könnte gewisse … Neigungen haben.«
»Aha«, meinte die junge Frau trotzig.
»Ja. Sagen Sie mir bitte, was Sie wissen.« Anne blickte Cindy Mattusek bittend an. »Sie wollen doch auch, dass wir ihn finden.«
Cindy strich mit dem Zeigefinger ihrer rechten Hand in die Zwischenräume ihrer Zehen. Nach einem Moment des Nachdenkens sagte sie plötzlich »Kommen Sie« und erhob sich.
Wenig später standen die beiden Frauen in einem der Kellerräume der Villa. Das Zimmer war etwa fünfundzwanzig Quadratmeter groß. Seine Wände waren mit Glasvitrinen voll gestellt, und auch in der Mitte des Raums stand ein gläserner Kasten.
»Seine Trophäensammlung«, meinte Cindy Mattusek abschätzig.
Anne staunte. In den Vitrinen waren nicht etwa Hirschgeweihe ausgestellt, nein, sie waren vollgestopft mit Barbiepuppen. Blonde, schwarzhaarige, rothaarige, sogar welche mit silbern schimmernden Haaren waren darunter. Anne trat näher an eine der Glasscheiben heran und stellte fest, dass alle Puppen aufreizend gekleidet waren. Viele trugen erotische Dessous.
»Das sind einige«, meinte Anne trocken.
»Und … Sie sehen ja, was die anhaben.« Cindy Mattusek vermied es, Anne anzusehen.
»Eher wenig.« Anne nickte.
Die junge Frau tat einige Schritte zu dem einzigen hölzernen Möbel in dem Raum, es war ein moderner Einbauschrank. Mit den Worten »Und wenn Sie schon mal da sind: Hier ist noch etwas« schob sie eine der großen Türen auf. Sie zog einen Kleiderbügel heraus und hielt ihn Anne demonstrativ hin: » NVA -Uniform.« Dann hängte sie den Bügel wieder hinein und zog einen anderen heraus. »Schwesternkittel, natürlich ein bisschen kurz, geht nicht ganz über die Pobacken. So mag Wolfgang das.« Sie hängte auch diesen Bügel wieder hinein. »Oder … das hier: Naziabteilung.« Sie hob eine braune Uniform in die Höhe. »Man beachte auch dies …« Cindy Mattusek zog die Hose vom Bügel und deutete auf den Schritt. »Ein Loch«, seufzte sie. »Ist ja klar, wofür, oder?« Sie ließ die Hose fallen und zog eine Polizeiuniform aus dem Schrank. »Und diese hier wäre vielleicht was für Sie. Statt Hose mit Loch gibt’s hier ein Röckchen.«
Anne ließ ihren Blick durch den Raum mit den Vitrinen schweifen, der auf sie mit einem Mal völlig surreal wirkte. »Tragen Sie diese Kleider?«
»Na, wer denn sonst?« Anne hörte leise Empörung in Cindy Mattuseks Stimme.
»Macht Ihnen das Spaß?«
»Mir? Spaß machen? Für was halten Sie mich?«
»Aber warum tun Sie es dann?« Anne musterte die schwarzhaarige Frau mit festem Blick.
»Weil ich es muss?«
»Zwingt er Sie?«
Cindy Mattusek sah nachdenklich auf die Polizeiuniform, die sie noch immer in der Hand hielt. »Nun, wo fängt für Sie Zwang an?« Dann hob sie ihren Kopf. »Ich habe Wolfgang geheiratet, da war ich einundzwanzig.«
»Wie alt sind Sie denn jetzt?«
»Dreiundzwanzig.« Nach einem kurzen Zögern fuhr sie fort. »Es hat mich wahnsinnig beeindruckt, dass so ein feiner, reicher Mann mich liebt. Er hat mir tausend Sachen geschenkt. Er hat mir jeden Tag Blumen geschickt, drei Wochen lang …« Sie hängte den Bügel mit der Uniform wieder in den Schrank.
»Und dann?«
»In unserer Hochzeitsnacht hat er mich hier runtergeführt. Das war schon alles da.« Die Frau zeigte auf die Puppen und Uniformen. »Krank, oder?« Cindy Mattusek bückte sich, hob die zu der Naziuniform gehörende Hose vom Boden auf und warf sie verächtlich unten in den Schrank. »Man kann sagen: Ich war überrascht.«
»Sie haben die Sachen angezogen?«
»Ist zwar abartig, aber ja, ich habe die Sachen angezogen.« Die Scham in ihrem Blick war nicht zu übersehen.
»Warum?«
»Na ja … wir waren frisch verheiratet, ich war verliebt, er hat mich lieb gefragt … ich meine, da macht man dann doch nicht gleich alles kaputt. Wolfgang steht eben auf Rollenspiele.«
»Er hat Sie nicht gezwungen?«
»Noch mal: Was heißt gezwungen? Er hat es sich gewünscht. Er hat mir tausend Geschenke gemacht, und das war dann eben meine Gegenleistung: Sex im Schwesternkittel, so was halt, gibt ja Schlimmeres, oder?«
»Gewalt?«
»Nö.« Cindy Mattusek schloss den Schrank. »Das wäre ja noch schöner!« Sie sah Anne an. »Wissen Sie, Wolfgang hat schon Stil. Und er hat Kohle. Er braucht keine Gewalt, um Ziele durchzusetzen.«
Anne nickte. »Würden Sie Ihre Ehe als glücklich bezeichnen?«
Mattuseks Frau
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