Hirschkuss
Holzfäller«, meinte Kastner.
Anne nickte.
»Und seine Frau, wegen dem ganzen Sexkram«, fügte Nonnenmacher hinzu. »Und wer noch?«
»Der Gansl und der Singer«, brachte Kastner den Altförster und den Jäger ins Spiel.
»Fällt euch etwas auf?«, meinte Anne nachdenklich. »Außer der Ehefrau haben all diese Personen, die ein Motiv haben könnten, Mattusek verschwinden zu lassen, irgendetwas im Wald zu schaffen. Und Hanna Nikopolidou ist höchstwahrscheinlich auch im Wald verschwunden. Nicht zu vergessen die beiden Studenten, die sich mit Wildfleisch vergiftet haben. Ich glaube, die Lösung des Falls liegt im Wald!« Die Polizistin sah zuerst Kastner, dann Nonnenmacher ernst an. »Ich glaube, es ist Zeit für eine richtig fette Suche. Eine Suche mit allen Mitteln: Hunde, Hubschrauber, Feuerwehr, das ganze Programm. Die Lösung liegt im Wald!«
Nonnenmachers Magen ließ ein energisches Rumoren vernehmen. Ein Zeichen steigender Erregung. »Also, Frau Loop, wir haben den Wald doch schon durchsucht! Wir können das doch nicht jede Woche machen!« Der Dienststellenleiter warf Anne einen bösen Blick zu.
»Ich fürchte, wir befinden uns in einer alternativlosen Situation.«
»Al-ter-na-tiv-los! Wenn ich das schon höre!«, blaffte Nonnenmacher seine Untergebene an. »So ein Kanzlerinnengeschwafel! Es gibt nix, was alternativlos wäre.«
»Höchstens der Tod«, meinte Kastner leise.
Ohne darauf einzugehen, sagte Nonnenmacher: »Eine zweite Suchaktion im Tal gibt’s nur über meine Leiche.«
Samstag
Es kam wie immer, wenn der grantige Chef der kleinen Polizeiinspektion am See behauptete, irgendetwas geschähe nur über seine Leiche: Bereits am Samstag durchkämmten einhundertfünfzig Männer von Polizei, Bergrettung und Feuerwehr die Wälder. Sogar in den Bergen auf der Tiroler Seite waren Suchmannschaften unterwegs. Auch ein Aufklärungsjet der Bundeswehr, ausgestattet mit mehreren Wärmebildkameras, beteiligte sich auf Anordnung von Kripochef Schönwetter an der Suche. Anne Loop hatte ihn von der Sinnhaftigkeit dieser extensiven Fahndung überzeugt.
Und tatsächlich: Entgegen Nonnenmachers finsterer Prophezeiung war die Suche dieses Mal von Erfolg gekrönt, leider von einem schrecklichen: An einer abgelegenen Stelle, fernab gängiger Wanderwege, stieß man auf die Leiche des Vorstandsvorsitzenden der Bio Wood World AG in merkwürdig gekrümmter Haltung. Erstaunt konstatierten die Ermittler, dass Wolfgang Mattusek auf Tiroler Seite gefunden worden war. Noch überraschter aber waren sie, als sie die Ursache erfuhren, die zum Tod des Holzinvestors geführt haben sollte: Mattusek sei ebenfalls an einer Anthraxinfektion gestorben, vermeldete der Rechtsmediziner Johnny Fritzenkötter, nachdem er die Leiche untersucht hatte.
»Also wie die zwei Studenten«, stellte Nonnenmacher bei der Lagebesprechung im Konferenzzimmer der Polizeiinspektion fest, an der neben Anne und Kastner auch der Kripomann Schönwetter teilnahm.
»Komisch, dass ein Mann mit derart viel Walderfahrung nicht merkt, dass er ein erkranktes Wild isst!«, meinte Kastner.
»Er hat es nicht ’gessen«, stellte der dicke Fritzenkötter klar, woraufhin ihn alle erstaunt anblickten. In das plötzliche Schweigen hinein posaunte er gleich einer Schiffssirene: »Der Maddusek hat sich net durch Essen infiziert.«
»Aha, und wie dann?« Nonnenmacher war so überrascht, dass er sogar aufhörte, mit dem Zahnstocher zwischen seinen Zähnen herumzubohren.
»Des weiß ich auch net«, meinte Fritzenkötter und zündete sich eine Zigarette an, was bei allen Anwesenden zu Naserümpfen führte.
»Hier ist fei Rauchverbot«, sagte Kastner spitz.
Ungerührt sog Fritzenkötter den Rauch tief in seine Lungen.
»Ich finde auch, dass das ganz schön stinkt«, kommentierte Anne.
Ihre Ehrlichkeit wurde nicht belohnt. Fritzenkötter, der bekannt war für seine Launen, wurde sauer. »Soll ich die Zigaredde etz essen, oder was?«
»Nein, jetzt geh, reg dich nicht auf, rauch weiter und erzähl endlich.« Nonnenmacher mochte Fritzenkötter, weil er nicht so ein aalglatter Schleimscheißer wie Schönwetter war. Außerdem hatte der Polizeichef Verständnis für Raucher, er war früher selber einmal einer gewesen. Und die allumfassende Verbieterei, die in der Gesellschaft neuerdings um sich griff, ging ihm schon lange gegen den Strich. Er war sich ziemlich sicher, dass eine der nächsten Regierungen ein Gesetz verabschieden würde, welches ein Bierverbot in Wirtschaften
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