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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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dass der Sanitäter Annes Arm festhielt.
    »Das Fräulein will mir Vorschriften machen«, erklärte der Menschenretter.
    »Seppi, wir müssen hier doch die Spuren sichern. Aber der packt alles ein!« Annes Blick hatte etwas Flehendes.
    »Da hat das Fräulein …« Weiter kam Kastner nicht, denn schon wieder überkam ihn der Brechreiz, und er übergab sich direkt vor die Füße des Sanitäters.
    »Au weh, san mir a bisserl sensibel, oder was?«
    Kastner würgte sich aus, dann richtete er sich auf, trat ganz nah an den Rettungsfahrer heran, der einen Kopf größer war als er, packte ihn am Kragen der weißen Uniform und zischte: »Jetzt pass einmal auf, du Fliegenfischer, wennst du jetzt nicht sofort deine Flossen von den Leichenteilen nimmst …« Kastner würgte erneut, es gelang ihm aber, weiterzusprechen, »dann kotz ich dir direkt in deinen Kragen hinein. Wir sind hier die Polizei, wir haben hier die Verantwortung und deswegen das Sagen. Und du schaust jetzt, dass du Land gewinnst!«
    Obwohl Kastner zierlicher war als der Mann, den er am Kragen hielt, setzte er sich durch – vermutlich war es der strenge Geruch seines Atems. Der Sanitäter grummelte etwas Unverständliches, ließ den Plastiksack mit den verkohlten Fleischteilen und Knochen auf den Waldboden plumpsen und wandte sich beleidigt ab.
    Anne nickte Kastner dankbar zu, und die beiden Polizisten traten an die Hinterseite eines der beiden Rettungswagen. Es roch nach Zigarillo.
    »Ja bist du damisch?«, blaffte Kastner den Lokalreporter an, der mit seinem Blitzlicht in das Innere des Sankas schoss. Sofort hörte Schellinger, den man im Tal nur »Schellinski« nannte, auf.
    »Ich mach bloß ein paar Fodos.«
    »Das lässt jetzt einmal schön bleiben!«
    »Aber ich hab die Männer g’fragt«, er deutete auf die Holzfäller Soder und Zernet, die auf der Liege saßen und von einem Sanitäter versorgt wurden. Sie wirkten unverletzt. »Sie haben nix dagegen, wenn mir morgen mit ihnen den Logaldeil aufmachen.«
    »Die sind doch überhaupts nicht zurechnungsfähig! Die stehen doch unter Schock! Außerdem müssen hier erst die Ermittlungsbehörden ihr Werk tun. Du gefährdest mit deiner Knipserei noch den Fahndungserfolg! Schleich dich, Schellinski, aber dalli!« Murrend zog der Berichterstatter ab.
    »So, jetzt, wie geht’s euch?«, wandte sich Kastner nun an die beiden Holzfäller.
    Die Männer zuckten mit den Schultern.
    »Was genau ist passiert?«, erkundigte sich Anne.
    Leonhard Soder fuhr sich durch den wilden Vollbart, dann erklärte er, dass sie ganz normal ihrer Arbeit nachgegangen waren – natürlich im vorgeschriebenen Abstand von zwei Baumlängen –, als sich im Fällabschnitt von Steff Nachtweih plötzlich eine ungeheuerliche Explosion ereignet habe.
    »Das war, wie wenn eine Bombe hochgeht«, bestätigte Uli Zernet.
    »Ich hab gedacht, das ist jetzt der Dritte Weltkrieg«, fiel Soder ihm ins Wort.
    »Wir sind sofort hin, aber da war nix mehr zum machen. Das war ein Bums, und der Steff war zerlegt.« Zwischen den Restlocken von Zernets Halbglatze bildeten sich Schweißperlen.
    »Kann es sein, dass Ihrem Kollegen ein Fehler unterlaufen ist? Kann es an seiner Motorsäge gelegen haben?«, fragte Anne und musterte die beiden Männer mit kritischem Blick.
    »Ein Fehler unterlaufen?«, fuhr Zernet die Polizeihauptmeisterin an. »Der Steff geht mit dem Fichtenmoped um wie der Japan-Schorsch mit’m Samuraischwert!«
    Anne hatte keine Zeit, sich zu erkundigen, wer der Japan-Schorsch war, denn Soder schrie jetzt: »Ich glaub, ihr kapiert’s es nicht – das hat gescheppert wie die Sau. So eine Explosion bekommt man mit einer kaputten Säge nicht zustande! Das war, wie wenn man eine Ladung Dynamit hochjagt.«
    »Die Sprengkraft hätt gereicht, um ein Haus in die Luft zu jagen«, fügte Zernet ruhiger an. »Außerdem hat der Steff heut früh seine Säge kontrolliert, das ist Vorschrift, das machen mir jeden Tag. Aber der hat nix gesagt, dass da was nicht gepasst hätte.«
    Zernet nickte zustimmend. »Sonst hätt der ja auch ein anderes Fichtenmoped nehmen können.«
    »Aber ein Baum explodiert doch nicht einfach so!«, rief Anne aus.
    Die Männer hoben wieder ratlos die Schultern.
    »Anscheins schon«, meinte Soder, er war ganz blass um die Nase.
    Auch die Befragung des dritten überlebenden Forstarbeiters, Josef Hannawald, der in dem anderen Sanitätsfahrzeug behandelt wurde, brachte keine Erklärung für die rätselhafte Explosion.
    Es dauerte über

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