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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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weiße Körner zu sehen, welche die Polizistin für Fliegenlarven hielt. Auch sah die Haut aus, als habe jemand weißes Pulver über den Körper gestreut.
    »Die liegt schon eine Weile hier«, meinte Anne mit gepresster Stimme. Es stank nach Verwesung. Kastner kotzte erneut. Anne starrte die Tote an. »Was ich nicht verstehe: Wie kommt es, dass wir sie nicht schon viel früher gefunden haben? Unsere Suchtrupps waren doch hundertprozentig auch hier unterwegs. Die Hunde hätten sie doch wittern müssen!« Anne wandte sich dem noch immer nach vorn gebeugten Kastner zu und legte ihm zärtlich die Hand auf den Rücken. Es kam jetzt nichts mehr, er würgte nur noch.
    Nonnenmacher sah sich um, und Kastner richtete sich wieder auf. Das Spucken hatte ihm die Tränen in die Augen getrieben. »Ich glaub, die war da drunter«, keuchte er und zeigte auf eine entwurzelte Buche. Der Baum war riesig und sah uralt aus. »Deshalb hat man sie nicht gefunden.«
    »Und wie soll sie da drunter gekommen sein?« Anne blickte auf die Wurzeln der Buche, die meterlang in die Höhe ragten.
    »Das weiß ich auch nicht, aber wahrscheinlich hat es den Baum durch die Explosion hochgerissen. Der war vorher schon abgestorben, vielleicht lag er schon entwurzelt da. Und die Frau lag drunter. Und dann hat’s ihn hochgerissen, und die Frau kam zum Vorschein.«
    Am selben Tag noch identifizierte Alexandros Nikopolidou die Tote als seine Schwester Hanna. Nun hatten die Ermittler Gewissheit: Die nackte, halb verweste Frau im Wald war die Bankerin, die aus ihrem Wellnessurlaub verschwunden war und die man nun seit bald zwei Wochen gesucht hatte.
    An diesem Tag kehrte Anne erst sehr spät nach Hause zurück. Johann hatte Lisa bereits ins Bett gebracht und wärmte Anne einige Bratkartoffeln auf. Auch einen kleinen Salat hatte er für sie zubereitet. Doch sie stocherte lustlos in ihrem Teller herum. Johann merkte schnell, dass Anne sich nicht unterhalten wollte. »Komm, wir gehen hoch, und ich massiere dir den Rücken. Du siehst wirklich müde aus«, schlug er vor. Doch selbst darauf hatte Anne keine Lust. Sie wollte nur schlafen.

Montag

    Als der Rechtsmediziner Johnny Fritzenkötter am Montagmorgen seinen Befund mitteilte, herrschte im Besprechungsraum erdrückende Stille. Nicht einmal gegen sein Gequalme regte sich Widerstand.
    »Also, der Dodeszeitpunkt lässt sich net mehr auf den Dag genau festlegen. Sicher aber is, dass sie schon mehr als eine Woche dot is.« Fritzenkötter war am Ende der Zigarette angelangt, nahm noch einen Zug, klopfte eine neue aus der Schachtel und zündete diese gleich an dem alten Stummel an. Er inhalierte tief, pustete den Rauch in den Luftraum über dem Tisch und fuhr fort: »Der Körper der Doden weist massive Quetschungen und Knochenbrüche auf. Der Schädel ist komplett zerstört, stumpfe Gewaltanwendung.«
    »Ist sie geschlagen worden?«, fragte Anne. »Vielleicht hat der Mattusek sie vergewaltigt. Und um sie gefügig zu machen, hat er sie geschlagen. Kann es sein, dass sie daran gestorben ist? Vielleicht war es sogar ein Versehen? Ist er vielleicht einfach zu weit gegangen?«
    »Er is garandiert zu weit ’gangen, sonst wär sie net dod«, klugscheißerte Fritzenkötter, doch keiner wies ihn zurecht. Alle warteten gespannt auf die weiteren Ausführungen des Arztes. Der aber ließ sich alle Zeit der Welt. Wieder inhalierte er tief und pustete den Rauch über den Tisch.
    »Das ist ja Folter, was du da mit uns machst, Johnny«, hustete Kastner. »Jedes Mal wenn ich mit dir in einer Besprechung war, muss meine Mutter alle meine Kleider waschen. Sie hat mich schon gefragt, ob ich’s Rauchen angefangen hab!«
    Fritzenkötter würdigte ihn keines Blickes. Überdeutlich und gedehnt sagte er: »Also: Ich kann definidiv ausschließen, dass Frau Nikopolidou einem Sexualverbrechen zum Opfer g’fallen is. Es gibt keinerlei Anzeichen für Sperma oder Fremdspeichel am gesamten Körber. Die Geschlechtsorgane sind völlig unlädiert, und auch auf Oralsex oder andere Braktiken haben wir keinerlei Hinweise g’funden. Ein Sexualdelikt liegt hier definidiv net vor.«
    »Dann hat es doch mit ihrem Job zu tun! Mit der Bank, mit Schwarzgeld!«, warf Kastner hektisch ein. »Mit den Hunderttausend, die bar bei ihr zu Hause herumgelegen sind. Das ist ja nicht normal, dass man so viel Geld daheim herumliegen hat, oder?« Er suchte die Blicke der anderen, aber keiner reagierte. Nonnenmacher schubberte unter dem Tisch mit seinen Schuhen

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