Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
Vom Netzwerk:
zwei Stunden, bis die Spurensicherungsexperten von der Kripo vor Ort waren. In der Zwischenzeit sperrten Anne, Nonnenmacher und Kastner das Waldgebiet großräumig ab und vertrieben die schaulustigen Wanderer sowie ein lokales Fernsehteam aus dem nahe gelegenen Österreich. Nonnenmacher schickte einen Großteil der Feuerwehrleute und die Sanitäter nach Hause.
    Mit den Worten »So, jetzt muss ich auch einmal ein Geschäft verrichten« wandte er sich von den Kollegen ab. Der Lokalreporter Schellinger nutzte die Gunst der Stunde und folgte dem Inspektionschef. Als der das Wasser laufen ließ, stellte sich der Zigarilloraucher hinter ihn und meinte: »Ich stell dir jetzt ein baar Fragen, Kurt, dass ich was schreiben kann. Und dann lass ich euch in Ruh’. Du kennst ja das Geschäft.«
    »Du bist ein gescherter Hund, Schellinski! Du kommst doch absichtlich genau jetzt, wo ich nicht wegkann«, fuhr Nonnenmacher den Journalisten aus Franken über die Schulter hinweg an. Es gab kein Entrinnen.
    »Des is mei Job«, entschuldigte sich der Reporter. »Bass auf, Kurt, ich will euch ja gar net bermanent auf die Belle rücken, mir is ja klar, dass die Bolizei des ganze Brozedere in Ruhe brüfen muss. Berfekte Bolizeiarbeit braucht brofunde Brofessionalidät. Jetzt binkel fertig, gib mir a kleines Interview, und ich lass euch weiderwergeln. Dann hab ich mei Story in der Daschen und du dei Ruh.«
    »Schellinski, du bist eine Schmeißfliege«, grunzte Nonnenmacher strullernd.
    Der Reporter seufzte. »Aber weißt, Kurt, a armer Schreiberling wie ich braucht auch sein däglich Brot!«
    »Ja, schon«, meinte der Inspektionschef beim Abtropfen, »wennst du bloß nicht gar so lästig wärst. Mich zum Bieseln verfolgen, das ist doch keine Art! Also, was willst jetzt wissen?«
    »Irgendein markandes Statement wär halt gut«, schlug der Franke vor. »Vorstellen könnt ich mir so was wie ›Bundeswehrskandal – Polizei vermudet Drohnenangriff auf Holzfällerdrubbe‹. Oder was auch brima wär: ›Dödliches Schlachtfeld im Bergwald – Bolizei dappt im Dunkeln des Dickichts‹.«
    »So einen Schmarrn kann ich dir natürlich nicht ins Heft diktieren«, knurrte Nonnenmacher. »Da denken die Leut’ ja, dass die Explosion nicht bloß dem Nachtweih Steff das Hirn weggerissen hat, sondern uns von der Polizei gleich mit.«
    »Das wär auch net schlecht: Mordexplosion im Bergwald – Bolizeichef Nonnenmacher: ›Ich glaub, mir hat’s Hirn weggesprengt.‹ Das wär subber!«
    »Schellinski, weißt du was?«, sagte Nonnenmacher verächtlich. »Du kannst mich gernhaben. Du kriegst von mir überhaupts kein Statement. Und weißt du, warum? Weil du ein verlogener Hund bist, dem’s nicht um die Wahrheit geht, sondern bloß um die Schlagzeile. Habe die Ehre.« Nonnenmacher ruckelte sich noch die Hose zurecht und stapfte dann zufrieden mit sich und seiner Durchsetzungskraft zurück in das Waldstück, dessen Durchsuchung er übernommen hatte. Dass er sein taktisch unkluges Verhalten gegenüber dem Reporter Schellinger schon am nächsten Tag bitter bereuen würde, konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen. Die Zeitung machte mit einem Bild des pinkelnden Polizeichefs auf und titelte: »Explosion im Bergwald – Polizei bieselt im Dunkeln.«
    Der Geruch von Schellingers Zigarillo stand noch im Wald, da rief plötzlich Kastner aus dem ihm zugeteilten Suchfeld: »Das gibt’s ja nicht! Anne, Kurt, kommt’s einmal her!«
    Schnell eilten die beiden Kollegen herbei. Kastner stand vor einer weiteren Leiche. Es handelte sich um den toten Körper einer nackten, schwarzhaarigen Frau.
    »Das ist doch … die Nikopolidou«, konnte Kastner gerade noch sagen, da würgte es ihn schon wieder.
    »Scheiße! Scheiße, scheiße, scheiße!«, entfuhr es Anne. Sie suchte in ihrer Hosentasche nach einem Papiertaschentuch und drückte es sich hastig vor Mund und Nase.
    »Dann haben wir die jetzt wenigstens auch«, stellte Nonnenmacher leise fest. »Und ihre Eltern haben auch Gewissheit.« Anne glaubte, seinen Magen rumoren zu hören.
    Anders als Steff Nachtweihs Leiche hatte es den Leichnam der Frau nicht auseinandergerissen. Allerdings war auch diese Tote nicht unversehrt: Ihr Kopf hatte seine natürliche Form verloren, er sah gequetscht aus. Ihr Körper wirkte verdreht, an Armen und Beinen standen einzelne Knochen aus dem Fleisch heraus. Anne fiel außerdem die Haut der Toten auf: Sie schimmerte seltsam grün, und um die Augen, den Mund und die Nase herum waren kleine

Weitere Kostenlose Bücher