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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Holzfäller!« Um seine Worte zu bekräftigen, nagelte der erfahrene Inspektionsleiter die Befragten noch einmal mit drei Blicken fest. Dann verließen die Forstarbeiter den Raum.
    Die Beamten blieben noch sitzen. »Dann wären zumindest die Todesfälle Nachtweih und Nikopolidou aufgeklärt«, meinte Nonnenmacher.
    »Bleiben noch a) die Studenten und b) der Mattusek«, konstatierte Kastner, als Annes Handy klingelte.
    Sie nahm ab: »Anne Loop? – Ach, du bist’s.« Kastner und Nonnenmacher nahmen genau wahr, dass die Kollegin rot wurde. »Oh, das weiß ich nicht … ja? Du, kann ich dich gleich zurückrufen? Ich bin gerade in einer … Besprechung.« Anne spürte, dass ihre beiden Kollegen sie beobachteten. »Ja, ja, ja«, sagte sie deshalb hastig. »Ich rufe dich an, sobald ich kann … ja«, hauchte sie jetzt. »Ich dich auch.« Sie drückte die Auflegetaste und wandte sich wieder den Kollegen zu.
    »Ich dich auch«, wiederholte Nonnenmacher schmunzelnd. »Wer ist denn der Glückliche?«
    »Ach, das ist … nichts …«, erwiderte Anne verlegen.
    »So hat sich das jetzt aber nicht angehört.«
    »Ist ja auch egal«, sagte Anne hastig. »Wir waren bei den Milzbrandfällen, also bei den Studenten und den …« Sie verlor den Faden, knubbelte an ihren Fingern herum und meinte dann: »Ist es schlimm, wenn ich heute zum Mittagessen für eine Stunde nach Hause gehe?«
    »Nein, nein, das ist gar nicht schlimm«, tönten die beiden Kollegen beinahe synchron. Sie konnten sich das Lachen kaum verkneifen.
    »Milzbrand war das Stichwort«, hauchte Anne atemlos. »Ich denke, wir sollten noch einmal mit dem Fritzenkötter sprechen.«
    »Das wird wohl vormittags nix mehr«, meinte Nonnenmacher mit Blick auf die Uhr. »Ich muss noch zum Hirlwimmer Hanni, weil bei dem vorm Haus hat ein weiblicher Fan sein Zelt aufgeschlagen und weigert sich, abzuhauen, bevor er ihr versprochen hat, dass er sich von dieser Ostdeutschen scheiden lässt und sie, also die Fanin, heiratet.«
    Sofort hatte Anne den größten Hit Hirlwimmers im Ohr: ›Wir feiern hier und heute, tausendundeine Nacht, wir feiern, dass es mächtig kracht.‹ Das Lied handelte von einer bayerischen Prinzessin, die einen arabischen Scheich heiraten will.
    »Aber ist der Hirlwimmer zurzeit nicht auf Tournee in Asien?«, erkundigte sich Kastner, der von seiner Mutter über die Aktivitäten des größten Stars im Tal auf dem Laufenden gehalten wurde.
    »Schon«, meinte Nonnenmacher, »aber die Frau muss trotzdem weg, weil das ist Stalking und kann nicht geduldet werden.«
    »Schtallking!«, machte Kastner sich über die Aussprache seines Chefs lustig. »Der König vom Stall, oder was, Kurt!«
    Nonnenmacher reagierte nicht auf diese Provokation.
    Den Rest des Vormittags protokollierten Anne und Kastner die Sachbeschädigungsfälle des Wochenendes. Der spektakulärste Vorfall betraf die angesägten Seeuferstege am Café Kreutzkamm. Seit Jahren stritten die Besitzer von Seegrundstücken mit jenen Bürgern, denen dieser Luxus nicht vergönnt war. Die Seegrundstücksbesitzer wollten niemanden auf ihren Grundstücken dulden. Die übrigen Bürger aber vertraten die Auffassung, dass der See allen gehöre und somit auch seine Ufer. Sie bezogen sich auf Artikel 141 der Bayerischen Verfassung, wonach Staat und Gemeinde verpflichtet waren, der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten, und forderten, dass durch jedes der Millionengrundstücke ein Spazierweg führen müsse, der allen Menschen zugänglich war. Schließlich, so die Aktivisten, lebe man in einem Freistaat und nicht in einer sibirischen Strafkolonie. Weil die Bewohner des idyllischen Sees nicht nachgaben – sie galten in weiten Teilen Europas als besonders sturschädelig –, war trotz jahrelanger Streitereien keine Einigung erzielt worden. Und so hatte die Gemeinde, um die Bayerische Verfassung durchzusetzen, bereits an mehreren Stellen des Seeufers Stege ins Wasser gestellt, die Einheimischen und Gästen das Promenieren ermöglichten. Derweil saßen die Millionäre auf ihren Grundstücken und schauten dem Volk griesgrämig dabei zu.
    Am vergangenen Wochenende nun hatten Unbekannte einen der umstrittenen Stege angesägt. Natürlich sprach viel dafür, dass es sich um Täter aus dem Umfeld des Bürgerbegehrens gegen den Bau der Seeuferstege handelte. Jenes wurde von einem angesehenen Chirurgen und Professor angeführt. Konnte man einem honorigen Arzt

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