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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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Bürgermeister mir für einen Mordsdruck macht! Der ruft im Präsidium an, wenn wir die Saboteure, die wo da herumgesägt haben, nicht bald erwischen. Also, wenn da wirklich der Chirurg dahintersteckt …« Nonnenmacher grunzte. »Und du, Sepp, hilfst der Frau Loop dabei. Wo kommen wir denn da hin, wenn ein jeder geradezu macht, worauf er Lust hat? Das ist hier keine Spaßgesellschaft, sondern die Polizei, die wo für fünf Seegemeinden plus Berge und Pipapo zuständig ist. So schaut’s nämlich aus, mein lieber Herr Gesangsverein!«
    Anne schüttelte wütend den Kopf, widersprach dem Vorgesetzten aber nicht.
    Als sie mit Kastner im Einsatzfahrzeug saß, meinte sie plötzlich: »Du, Seppi, ich glaube wirklich, dass wir uns den Singer möglichst bald vorknöpfen sollten.«
    Der Kollege zuckte mit den Schultern. »Aber du weißt doch, was der Kurt gesagt hat.«
    Anne sah den verklemmten Kastner lieb von der Seite an. »Das mit den Stegen kannst du doch allein regeln. Und währenddessen schnapp ich mir den Jäger. In der Dienststelle bekommt das doch gar niemand mit. Und am Ende des Tages haben wir vielleicht beide Fälle gelöst!«
    »Also, ich weiß nicht, Anne.«
    »Seppi, jetzt komm! Sei kein Hasenfuß!« Kastner schaute sie an, als wäre er ein Meerschweinchen.
    Eine gute Dreiviertelstunde später stapfte Anne den Weg zur Liedler Alm hinauf. Der Kollege hatte sie nach Hause gebracht, wo sie in ihr eigenes Auto umgestiegen war. Dann hatte sie den See umrundet, war Richtung Süden und schließlich die Forststraße bis ans Ende gefahren. Dann hatte sie sich, nur geschützt von einer dunkelgrünen Regenjacke, an den Aufstieg durch die Almwiese gemacht. Es regnete so stark, dass die Bergweide die Wassermengen gar nicht aufnehmen konnte, und so flossen lauter kleine Bäche den Hang hinunter. Doch Anne war das egal. Sie wollte den Singer stellen. Sie hatte ihm auf dem Handy ihren Besuch angekündigt. Er hatte verdächtig freundlich reagiert und versucht, ihr das Treffen auszureden: Das Wetter sei so miserabel und er weit oben im Bergwald. Morgen könne er gerne zu einer Besprechung kommen, wenn es sein müsse, auch in die Polizeiinspektion. Aber gerade dieses Ausweichmanöver hatte Anne misstrauisch gemacht, und so hatte sie auf einem sofortigen Treffen bestanden.
    Erst kurz bevor Anne auf der Hügelkuppe ankam, wurden die beiden Hütten der Liedler Alm sichtbar. Die Wolken hingen derart tief über dem Berg, dass man kaum mehr als dreißig Meter weit blicken konnte. Anne hatte sich den denkbar ungünstigsten Tag ausgesucht, um im Gebirge herumzusteigen. Trotzdem war sie sich sicher, das Richtige zu tun, als sie das größere der beiden Gebäude passierte und an der kleinen Hütte vorbeistapfte, in der sie das erste Mal eine Ahnung von Mattuseks merkwürdigen sexuellen Vorlieben bekommen hatte. Und der war jetzt tot.
    Hinter der Hütte wurde sie vom Wald verschluckt. Dort prasselte der Regen nicht mehr so stark auf die Regenjacke. Zwar war auch hier alles nass, aber die Bäume gewährten ihr Schutz. Der Jäger hatte ihr den Treffpunkt genau beschrieben. Anne überprüfte ihre Dienstwaffe und stieg dann den steilen Hang hinter der kleinen Liedlerhütte hinab. Anne sog den Duft frisch gefällter Bäume ein. Offensichtlich hatten sich die Holzfäller bereits an die Verwirklichung von Mattuseks Plan einer Pappelplantage gemacht. Anne musste beim Überklettern der Stämme vorsichtig sein, denn die Rinde der Bäume war vom Regen glitschig, und der Wald war so steil, dass ein Abrutschen nicht ungefährlich gewesen wäre. Es roch nach Saunaaufguss.
    Nach dreißig Metern stoppte die Polizistin, sie war außer Atem an dem etwa vier Meter hohen Stapel gefällter und entrindeter Baumstämme angekommen, den ihr Singer als Treffpunkt genannt hatte. Doch wo war Singer? Sie sah sich um. Die Bäume troffen vor Wasser. Ansonsten war der Wald still. Plötzlich knackste es direkt hinter ihr, Anne fuhr herum, und da stand er, aufgetaucht wie aus dem Nichts: Blasius Singer. Neben ihm der Hund.
    »Oh«, entfuhr es Anne erschrocken. »Ich hatte Sie gar nicht kommen hören.«
    »Alte Jägerregel: Der Jäger bewegt sich lautlos und geschmeidig wie ein Tier im Wald. Das meiste Wild sieht nicht gut, aber es hat höllisch gute Ohren.« Entrückt lächelnd nahm Singer den Hut vom Kopf, schüttelte das Regenwasser herunter und setzte ihn wieder auf. Der Hund beschnüffelte Annes Hosenbein und winselte.
    »Seehofer, gib Ruh’«, befahl der Waidmann,

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