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Hirschkuss

Hirschkuss

Titel: Hirschkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Steinleitner
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schnellen Kontrollblick auf den Hund, der angespannt und aufrecht neben seinem Herrchen saß. Ihr war klar, dass Singer nur ein Wort sagen musste, und der Hund würde ihr an den Hals springen. Anne bemühte sich um eine ruhige Stimme, obwohl sie innerlich bebte: »Sie haben Herrn Mattusek das Recht abgesprochen, in dem von ihm gekauften Wald tun und lassen zu können, was er will! Sie haben sein Eigentumsrecht untergraben. Sie haben sich ihm und seinen Plänen entgegengestellt. Sie halten die Bio Wood World AG für ein Unternehmen, das nur dem Namen nach so tut, als wäre es an umweltfreundlicher und nachhaltiger Waldwirtschaft interessiert …«
    »Mit gutem Recht!«, unterbrach Singer die Polizistin. »Der Mattusek ist ein Bandit, ein Lügner. Ein Verbrecher, der die Natur ausbeutet! Schauen Sie sich doch um: Das alles ist in Jahrhunderten gewachsen. Und da kommt so ein neureicher Pinkel daher und macht alles kaputt! Einen durch und durch intakten Wald!« Er deutete mit dem Zeigefinger der rechten Hand mehrmals ins Dickicht des Waldes. »Das lass ich nicht zu, dass der mit seinem Pseudo-Bio-Scheißdreck zerstört, was Generationen von ehrlichen Männern hier aufgebaut haben! Das alles hier ist das Werk meines Vaters, meiner Großväter und Urgroßväter. Dieser Wald gehört uns – und nicht so einem …« Er zögerte, dann schrie er es aus sich heraus: »Arschloch!«
    »Aber so löst man doch keine Probleme, Herr Singer! Mit Gewalt, mit Messern, mit Mord!«, rief Anne, auch sie wurde nun lauter. Allerdings klang sie eher verzweifelt als wütend.
    » Sie werfen mir keinen Mord vor, Fräulein!«, erwiderte Singer vollkommen außer sich. » Das lass ich mir nicht bieten von Ihnen !«
    »Das müssen Sie aber leider, Herr Singer!«, erwiderte Anne in derselben Lautstärke. »Die Schlinge zieht sich nämlich zu! Die Sache ist doch ziemlich eindeutig! Sie sollten jetzt, hier, sofort gestehen! Dann kann ich noch das Beste für Sie rausholen«, bluffte sie.
    Der Jäger war noch immer in Rage. »Ja verreck! Einen Scheißdreck werd ich tun, einen Scheißdreck! Da macht man seine Arbeit, Tag für Tag und ehrlich, und dann wird einem so etwas vorgeworfen! Ein Kapitalverbrechen schieben Sie mir nicht in die Schuh! Mir nicht!« Um sich zu fassen, wandte er sich an seinen Hund: »Ist das noch zu glauben, Seehofer? Diese Polizeischlampen beschuldigt mich, dass ich einen Menschen umgebracht haben soll!«, zischte Singer.
    »Nehmen Sie diese Beleidigung sofort zurück!« Annes Augen versprühten Gift.
    »Einen Scheißdreck nehm ich zurück! Ich lass mich doch von einer dahergelaufenen Schlampen, die sich für besonders schön und schlau hält, nicht beleidigen – ach, was sag ich, des Mordes verdächtigen! Was hast denn auf der Pfanne gegen mich? Du uniformiertes Luder!«
    Anne war empört: »Herr Singer, das sind lauter Beleidigungstatbestände! Hören Sie auf!«
    »Ha, Beleidigung! Einen blasen kannst mir! Wer mir einen Mord unterstellt, kann mich am Arsch lecken, und zwar kreuzweis’!«
    »Wenn Sie das jetzt nicht sofort zurücknehmen und sich entschuldigen, dann … dann zeige ich Sie an.« Annes Stimme hatte unversehens eine Verletzlichkeit bekommen, die ihr unangenehm war. Die Situation wuchs ihr über den Kopf.
    »Ja, dann zeig mich halt an, du Fotzen!«
    Singer wandte sich ab und machte Anstalten, den Berg hinauf zu den Hütten zu steigen. Nach einigen Schritten, er mochte mittlerweile acht oder zehn Meter oberhalb von Anne stehen, wandte er sich um und rief mit heiserer, aber – gerade so, als wäre er verrückt – plötzlich freundlicherer Stimme: »Jetzt kommen’S mit hinauf. Das Wetter wird nicht besser. Es hilft doch nix, hier im Wald herumzustreiten.« Er drehte sich wieder um, ging weiter und sagte noch über die Schulter: »Kommen’S, ich mach uns in der Hütten einen Tee.«
    »Mit Ihnen trinke ich garantiert keinen Tee!«, rief Anne.
    Der Jäger stapfte unbeirrt weiter. Die Polizistin sah, wie er den Kopf schüttelte und glaubte, ein »blöde Rheinländer Kuh« zu hören.
    Nach kurzer Zeit verlor sie ihn aus den Augen. Erst jetzt spürte Anne, wie schnell ihr Herz schlug. ›Ich gehe doch jetzt nicht da hoch. Dieses primitive Arschloch will ich nie mehr sehen, nie im Leben‹, dachte Anne wütend. ›Und wenn ich jetzt da hochgehe, dann bringt der mich am Ende noch um!‹
    Die Ermittlerin blickte sich ängstlich um. Sah man von den gefällten Bäumen im direkten Umkreis ab, war der Wald dicht und

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