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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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weniger Buße aufladen. Er musste schon so viele Rosenkränze beten, damit sein Alkoholgenuss gesühnt war. Doch das war für Garbrand erträglich, und so sprach er weiter gern dem Wein zu. Nur wenn er trank, hörte er die Engel singen, dann war Friede, weil ihn die schrecklichen Bilder nicht quälten, die ihn seit seiner Flucht aus England verfolgten.
    »Seid Ihr schon wieder betrunken?« Jan war in die Kammer des Gasthauses getreten und starrte in die glasigen Augen des Mönches, stieß mit dem Fuß gegen einen umgefallenen Krug, der noch vor gar nicht so langer Zeit bis zum Rand mit Wein gefüllt gewesen war.
    »Wir brauchen morgen einen klaren Kopf. Das wird keine Lustreise. Wir müssen mit dem Schiff reisen. Also seht zu, dass Ihr nüchtern werdet!«
    Garbrand nickte. »Wo genau zieht es Euch hin?«
    »Wir fahren nach Ostfriesland.«
    Garbrand zuckte zurück. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Er hatte für möglich gehalten, aber nicht, dass er je in seinem Leben in dieses unwirtliche Land musste. Es würde eine beschwerliche Reise werden. Genau deshalb war es richtig, dass er ein bisschen mehr getrunken hatte, als gut für ihn war, damit er all das ertragen konnte.
    Jan erklärte ihm, was auf sie zukam, und schien nicht einmal in Erwägung zu ziehen, dass der Mönch ihn nicht begleiten würde. »Wir stechen von Amsterdam aus in See. Von dort geht es nach Emden und dann unterhalb der Inseln in die Jade und ins Schwarze Brack.«
    »Können wir nicht übers Land reisen?«, fragte Garbrand.
    Jan schüttelte entschieden den Kopf. »Das ist um diese Zeit fast unmöglich. Wenn wir Pech haben, müssten wir schon bald umkehren, weil die Moore noch zu feucht sind. Außerdem dauert es zu Land länger. Wir können nicht mehr warten.«
    Garbrand nahm einen weiteren Schluck Wein, wagte nicht nachzufragen, warum Jan ausgerechnet dorthin wollte. Vielleicht brauchten die Menschen dort einen studierten Arzt oder er erhoffte sich, in diesem abgelegenen Stück der Welt seinen Forschungen intensiver nachgehen zu können. Es gab sonst keinen Grund, dass er Amsterdam verließ, wo es doch auch hier so viele kranke Menschen gab, die auf seine Hilfe hofften.
    »Habe ich mich klar ausgedrückt?«, unterbrach Jan Garbrands Gedanken. »Es ist ein Risiko, wenn einer wie Ihr mitkommt, aber wenn wir vorsichtig sind, kann Euch nichts geschehen.« In Jans Blick lag große Sorge. »Ich muss noch einmal weg. Wartet nicht auf mich.«
    »Wohin?«
    Jan winkte ab. »Besser, Ihr wisst es nicht.« Damit verschwand der Arzt und hinterließ einen Duft von Kräutern und anderen geheimnisvollen Mitteln, mit denen er praktizierte und von denen er dem Mönch nichts erzählen wollte.
    Garbrand war ohnehin zu träge nachzuhaken. Er griff nach dem Krug, den er hinter dem Kopfteil der Bettstatt versteckt hatte, nahm einen weiteren Schluck Rotwein, ließ ihn im Gaumen kreisen, genoss den herben Geschmack. So etwas würde es in diesem abgelegenen Landstrich bestimmt nicht geben. Garbrand schüttelte sich, er verspürte nur wenig Lust, die Stadt zu verlassen.
    Ob er hierbleiben oder sogar doch nach Coelln reisen sollte, wo er bestimmt ein neues Kloster finden würde? Aber dann würde er Jan Valkensteyn nie wiedersehen. Eine Vorstellung, die ihm unerträglich war. Jan war für ihn mehr als sein Beschützer. Er ließ diesen Gedanken nur selten zu, denn er würde es sich nie wirklich eingestehen, dass er sein Herz an den Arzt verloren hatte. Er empfand eine Zuneigung zu ihm, die jenseits aller Moral war, und mit solch sündigen Gedanken konnte er in kein Kloster mehr eintreten. Er würde Jan Valkensteyn folgen, wo immer der auch hinging. Auch in die Einöde, in ein Gefängnis der besonderen Art.
    Garbrand fragte sich, wohin Jan heute Abend noch einmal gegangen war. Zuerst dachte er an eine Frau, aber Jan benahm sich im Beisein der Weiber nicht so, als habe er vor, sein Herz an eine zu verlieren. Er war hochgewachsen, schlank, stets gut gekleidet. Seine breiten Schultern gaben Schutz, seine Hüften waren dagegen schmal und doch kräftig genug, dass er nicht als Schwächling durchging. Jan Valkensteyn hätte die Auswahl an Frauen gehabt, doch schien er immun gegen alle Reize zu sein. Nur einmal hatte er eine über Nacht mit ins Haus gebracht, und Garbrand hatte die Lust der beiden vernommen, sich selbst in ihrer Rolle gesehen und war nach seiner Befriedigung ruhig eingeschlafen. Die Frau war nie wieder aufgetaucht, und Jan schwieg sich über das Ganze aus.

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