Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
ausbrach. »Wer tut so etwas?« Die Worte wirkten abgehackt.
Adele reichte der blonden Frau einen Krug Bier, den diese jedoch nicht anrührte. Aus den einzelnen Satzteilen, die Hiske aufschnappte, reimte sie sich zusammen, dass Tyde die Witwe Cornelius von Ascheburgs war.
»Und ich trage sein Kind unter dem Herzen«, weinte sie weiter. Schau!« Tyde lüftete ihren Rock, und die beiden anderen Frauen konnten den schon leicht gewölbten Leib sehen. Tyde stand nicht mehr zu Beginn ihrer Schwangerschaft, hatte aber doch noch ein paar Monate vor sich.
»Ich wusste gar nicht, dass von Ascheburg Vater wird.« Adele zog die Brauen hoch. »Warum kommt Ihr zu mir? Ich bin eine arme Witwe.«
»Ihr seid allein, ich bin allein«, gab Tyde zurück. Ihre Stimme war dünn, es wirkte, als habe die Trauer ihr sämtliche Kraft genommen.
Hiske ging zu der Frau hinüber und strich ihr über den Unterarm, der für eine Schwangere viel zu dünn war. »Ich bin Hebamme. Wenn Ihr mögt, könnt Ihr immer zu mir kommen, ich betreue Euch und Euren Wurm. So Gott will, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit Euch beiden kein Unheil geschieht.«
Erst jetzt schien Tyde Hiske wahrzunehmen, ihr Blick war aber alles andere als freundlich. »Ihr wohnt jetzt hier?« Sie sah zu Adele. »Ich hatte gehofft, bei Euch Unterschlupf zu finden mit dem Kind. Krechting wird mich in der nächsten Woche vom Hof jagen, ich kann ihn ja allein nicht bewirtschaften, und die Pacht lief nur, solange mein Mann lebte.« Sie hielt inne. »Ich bin eben keine von Euch, so habe ich trotz meiner Ehe mit Cornelius nicht die Privilegien wie Ihr. Wenn Ihr keinen Platz für mich habt, muss ich ins Lager. Irgendwo im Stall in einer Ecke schlafen.«
Hiske wollte der Schwangeren eben ihre Kammer zur Verfügung stellen, als Adele die Hand hob und ihr zu schweigen gebot.
»Fürs Erste könnt Ihr hier wohnen, ich hab noch eine Abseite, die voller Gerümpel steht und in die Ihr erst einmal einziehen könnt. Es kann nur vorübergehend sein. Ich kann Euch nicht durchbringen. Krechting wird Euch Arbeit in der Burg verschaffen müssen. Er kümmert sich um alles, seid gewiss.«
Obwohl es durchaus ein freundliches Angebot war, spürte Hiske doch den Unwillen, der diese Sätze begleitete.
Tyde nickte. »Ich hole mein Zeug.« Sie verließ den Hof mit gebeugtem Oberkörper.
»Armes Ding«, sagte Hiske.
»Das Leben meint es nicht mit allen Menschen gleich gut.« Adele stemmte die Arme in die Seiten. »Hunger? Ich habe Graupen gemacht.«
Anneke Hollander war froh, dass Hiske sich zu Adele aufgemacht hatte. Es war gut, wenn die Neue nicht zu viel mitbekam und wenn sie nicht hörte, was im Lager gesprochen wurde. Misstrauen war in Zeiten wie diesen immer angebracht.
Sie selbst hatte große Furcht, würde die nächsten Wochen bestimmt nicht gut schlafen können. Cornelius von Ascheburg war oft zu ihr gekommen, aber er war kein Mann, der sich ausschließlich mit seiner Ehefrau und einer Duuvke vergnügte. Cornelius von Ascheburg war um nichts besser gewesen als die Kirchenmänner, die nach außen Moral und Anstand predigten und dann doch während der Beichte oft nichts Besseres zu tun hatten, als den Frauen unter die Röcke zu greifen, und gleichzeitig für die Erlassung der Sünden deren Hand an ihr Gemächt führten, bis sie befriedigt waren. Anneke hatte es oft genug von den Frauen gehört, die erst später zu ihnen gestoßen waren und bis dahin dem katholischen Glauben angehört hatten. Klar, dass gerade die Frauen die neue Lehre vorzogen. Man konnte nichts wiedergutmachen, Gott allein entschied, wem er verzieh, dazu musste man es keinem Pfaffen besorgen.
Doch von Ascheburg war nicht anders gewesen als die. Er hatte sich immer genommen, was er wollte. Vier Frauen hatten sich in Münster in seiner Bettstatt abgewechselt. Hier im Lager bestieg von Ascheburg ebenfalls, wen er wollte, hatte seine Gewohnheit, was das betraf, nicht abgelegt. Auch nicht, als er Tyde bereits geehelicht hatte. Da er ein gut aussehender Mann war, bereitete es ihm kaum Mühe, Weiber zu finden, die sich zu ihm legten. Vor allem, nachdem sie festgestellt hatten, was für ein unglaublich guter Liebhaber er war. Das musste sogar Anneke zugeben, sie hatte Vergleiche genug.
Es war wirklich besser, wenn die Hebamme nicht alles wusste. Noch war nicht klar, ob man ihr trauen konnte. Die ersten Stimmen wurden schon laut, dass sie eine Spionin aus Jever sein konnte, und Dudernixen hielt nicht damit hinter dem
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