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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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Leichenschau durchgeführt.«
    Hebrich deutete auf einen leeren Stuhl, wies Krechting mit einer Handbewegung an, sich darauf niederzulassen. Mit der anderen Hand griff sie nach einer kleinen Glocke, um mit einem leisen Läuten das Dienstmädchen hereinzurufen. »Bier bitte – zwei Becher.«
    Krechting wartete darauf, dass die Häuptlingswitwe ihm das Wort erteilte, doch sie schien es damit alles andere als eilig zu haben. Sie nahm zunächst die Stickerei wieder auf und wartete, bis das Bier serviert war. Erst dann sah sie Krechting an, nickte ihm zu und legte die Handarbeit auf das kleine Tischchen zurück. In dem Augenblick wandelte sich ihr Gesichtsausdruck, sie war plötzlich ganz die Herrscherin, die sich um die Angelegenheiten der Herrlichkeit zu kümmern hatte. »Bitte!«, forderte sie Krechting auf, und er wiederholte die Ergebnisse ihrer Untersuchung.
    »Ihr seid unvorsichtig, geht nicht sorgsam mit meinem Vertrauen um. Sonst wäre das nicht geschehen.« Hebrichs Stimme hatte von Wort zu Wort an Schärfe zugenommen.
    »Wir sind vorsichtig«, hob Krechting an.
    Doch er verstummte sofort, als Hebrichs Arm in die Höhe schoss. »Nein, Krechting. Ich habe Euch gesehen, wie Ihr mit den anderen in der Nacht in den Keller gegangen seid. Ich weiß, was Ihr dort tut. Das ist gegen die Abmachung. Ihr seht, was dabei herauskommt.« Hebrich holte kurz Luft. »Ich hätte Euch für überlegter gehalten.«
    Krechting suchte nach Ausflüchten, er durfte es sich mit Hebrich nicht verderben. Das wäre für die Bewegung fatal. Er hatte es geschafft, die Täufer und Mennoniten zusammenzubringen, Letztere überhaupt ins Land zu holen. Sie hatten eine Vision, eine gute Vision der Zukunft. Um sich abzusichern, war er zum reformierten Glauben übergetreten, ganz wie Hebrich es gewünscht hatte, obwohl es seine Seele zerriss. Sicher wussten die Menschen im Lager, dass es nicht seiner Gesinnung entsprach, sonst hätte er kaum die nächtlichen Zusammenkünfte organisieren können. Wichtig war nur, dass die Leute in Dykhusen und die Obrigkeiten von Kirche und Staat nicht misstrauisch wurden. Das allein war entscheidend. Dafür hätte Hinrich alles getan, denn nur so bestand überhaupt ein Weg, ihre Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Er hatte ein Opfer für alle gebracht, nicht mehr und nicht weniger. Das machte er sich Nacht für Nacht klar.
    »Jemand aus der Gruppe hat Euch verraten oder er gehört ihr nicht an, sondern tut nur so«, begann Hebrich. »Es sieht aus wie ein Racheakt, sonst wäre der Täter nicht mit solcher Grausamkeit vorgegangen.«
    Krechting nickte, genau das hatten sie auch vermutet.
    »Gräfin Anna besteht auf einer eindeutigen Abgrenzung zu den Mennoniten und Katholiken, das wisst Ihr.« Hebrich nahm einen Schluck Bier, der ihr aber sichtlich nicht mundete. Sie stellte den Becher rasch wieder ab. »Sie will eine einheitliche Kirchenordnung, dazu hat sie a Lasco ins Land geholt. Er arbeitet daran, die Aktivitäten der Täufer einzuschränken, genau wie den Katholizismus.« Sie hielt kurz inne. »Von Euch weiß er nichts, ich habe Euch mit dem reformierten Glauben hier eine geistige Zuflucht gegeben, bürge mit meinem Leben für das Eure. Ich kann solche Scherereien nicht gebrauchen.«
    Hebrich sprang auf, ungeachtet der Tatsache, dass ihre Stickerei zu Boden fiel und der Becher auf dem Tisch tanzte, weil sie mit dem Knie gegen den Tisch gestoßen war. »Und Ihr dankt es mir so, Hinrich Krechting! Ich kann Euch nicht schützen, wenn Ihr Euch dermaßen gegen mich stellt!« Hebrich hieb im Stehen mit der Faust auf den Tisch. »Ich kann es nicht! Wie soll ich das vor Gräfin Anna vertreten? Sie müsste sich gegen den Kaiser stellen, um mich zu schützen. Ihr seid im ganzen Land
Vogelfreye
. Gräfin Anna wird sich nie mit dem Kaiser überwerfen, niemals! Auch wenn sie seine entschiedene Hausmacht mit allen einseitigen konfessionellen Ausrichtungen ablehnt, so erkennt sie seine herausragende Position doch an.«
    »Gräfin Anna sollte sich für einen Glauben entscheiden und nur den in ganz Ostfriesland zulassen«, wagte Krechting einzuwenden, doch wieder gebot Hebrich ihm zu schweigen.
    »Sie muss erst die Vereinheitlichung mit a Lasco durchsetzen, zuvor ist an solches gar nicht zu denken, und das wisst Ihr.«
    Krechting musste seiner Herrin recht geben. In der Theorie sah immer alles einfacher aus als in der Umsetzung.
    »Gräfin Anna propagiert ja die Reform«, hob Hebrich erneut an, »auch wenn sie sich nach außen

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