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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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andere könnten eher ihren als seinen Rat einholen, wenn sie ein Gebrechen plagte.
    Die Blutung nahm zu, Hiske hatte keine Wahl. Sie zog ihren Ärmel hoch bis zur Schulter, ballte die Hand zu einer Faust und steckte sie tief in den Geburtskanal. Maria bäumte sich vor Schmerzen auf, als die Hebamme gleichzeitig mit der anderen Hand von außen auf die Bauchdecke presste und die Gebärmutter aufrichtete, indem sie die Faust von innen dagegendrückte. Maria schrie, wehrte sich, doch Hiske ließ sich in ihrem Tun nicht beirren. Es war die einzige Möglichkeit, die Frau zu retten, die Nachgeburt musste auf dem schnellsten Weg hinaus. Kurz bevor Hiske die Kräfte verließen, setzte bei Maria eine starke Wehe ein, und schließlich glitt der Hebamme der Mutterkuchen unversehrt entgegen.
    Kurz darauf verlor Maria das Bewusstsein. Hiske legte die Beine der Frau hoch, holte dann eine kleine Flasche mit Hirtentäschelsud heraus, den sie bei Geburten immer dabeihatte. Hirtentäschel war gut, ließ die Blutung versiegen. Mit den hochgelegten Beinen kam Maria rasch wieder zu sich und war in der Lage, Schluck für Schluck von dem Gebräu zu trinken. Ihr Haar war schweißnass, die Haut fühlte sich feucht-kalt an. Die Gefahr war noch nicht gebannt.
    Der Bader und Coevorden hatten den Schrei des Kindes natürlich vernommen, standen nun vor dem Wagen und hatten die Plane beiseitegeschoben. Sie starrten auf die geschwächte Frau, die in ihrem Blut schwamm.
    »Weg mit euch!«, herrschte Hiske die Männer an. »Noch einmal: Das hier ist Frauensache!«
    »Du bringst das Weib um!«, zischte Dudernixen, ließ die Plane aber zurückfallen. »Wenn das geschieht, Hiske Aalken, dann ist das dein Verderben.«
    Hiske hörte, wie er im Weggehen lautstark forderte, dieses Weib möglichst schnell von der Burg wegzuschicken, doch sie ignorierte ihr Herzklopfen und konzentrierte sich wieder auf Maria, deren Lider zu flackern begannen. »Mein Kind«, flüsterte sie.
    Hiske fühlte den Puls, der noch immer viel zu rasch schlug. Sie nahm frische Tücher, steckte den Kopf aus dem Wagen und bat Anneke, ihr einen Kübel mit eiskaltem Wasser aus dem Brunnen zu holen. »Aber rasch!«
    Diese reagierte sofort, und in kürzester Zeit stand ein Wasserkübel vor Hiske. Die Hebamme hatte den kleinen Jungen vorhin vorsichtig in ein Tuch gewickelt und beiseitegelegt. Er schlief satt und zufrieden. Sie wrang das nasse Leinen aus, legte es auf den Bauch der Mutter und beträufelte es ebenfalls mit dem Hirtentäschelsud. Mit etwas Glück würde sich die Blutung durch all diese Maßnahmen stabilisieren.
    Hiske hockte neben Maria, lauschte auf deren Atemzüge, die sich nach und nach beruhigten. Schließlich schien sie fest zu schlafen, und als die Hebamme das Leinen betrachtete, das sie zwischen Marias Beine gelegt hatte, war die Blutung tatsächlich weniger geworden. Maria Coevorden war außer Lebensgefahr. Vorsichtig nahm Hiske den Säugling hoch, der leise vor sich hin maunzte. Sie legte ihn Maria in die Arme.
    Diese schlug die Augen auf. »Danke«, flüsterte sie. »Ohne dich hätte ich es nicht überlebt.« Sie schnüffelte an ihrem Säugling.
    Hiske wartete noch eine Zeit, sah Weib und Kind zu. Als der Junge an der Brust zu saugen begann und in Marias Gesicht wieder Farbe zurückgekehrt war, raffte sie schließlich ihre Sachen zusammen. Sie hatte das Bedürfnis, sich von Blut und Schweiß zu reinigen. »Ich gehe, Maria, werde aber später noch einmal vorbeischauen. Und ich sehe auch die nächste Zeit jeden Tag nach dir.«
    Kaum hatte Hiske den Wagen verlassen, als auch schon Coevorden um die Ecke schoss, wieder Dudernixen im Schlepp. »Lebt sie?«
    Hiske nickte. »Natürlich lebt sie. Und ich habe weder getauft noch sonst etwas getan, was Euch widerstreben könnte, Bader. Ich habe lediglich meine Arbeit gemacht.«
    »Dein Glück, Weib, sonst hätte es dich den Kopf gekostet«, raunte Dudernixen ihr zu. Er stampfte zu seinem Wagen davon.
    Hiske wusch sich Hände und Arme. Das Wasser im Kübel war noch immer eiskalt. Danach eilte sie nach Hause, doch auf halbem Weg blieb sie stehen. Sie glaubte ein Geräusch gehört zu haben, einen raschen Atem, doch jetzt war nichts mehr zu hören. »Ist da wer?«, rief sie in die kalte Nacht hinein, doch niemand antwortete. Lediglich ein Kauz begann seinen schaurigen Ruf über das Land zu schreien. Hiske lief weiter, und jetzt war sie ganz sicher, dass jemand ihr folgte. Blieb sie stehen, verhielt auch der zweite Schritt, lief sie

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