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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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schließlich war ein großer Mann gekommen mit einer dicken Knollennase und ganz vielen Erhebungen im Gesicht. Da war der Knabe geflohen so schnell es ging, denn sonst wäre der Knüppel über seinen Rücken getanzt.
    Gegen Morgen war er noch einmal in Richtung Burg gelaufen und hatte sich ins Lager geschlichen. Da hatte er die unbekannte Frau gesehen. Sie hatte ein Kind aus dem Bauch einer anderen Frau geholt. Obwohl die Frau verschwitzt war und Blut an ihrer Schürze klebte, umgab sie etwas Sauberes.
    Er war der Frau gefolgt, war neugierig, wo sie hingehörte. Nun stand sie im Garten neben dem kleinen Haus. Sie hatte sich vornübergebeugt und zupfte in Gedanken vertieft an den Kräutern herum, die noch darauf warteten, ihre ganze Pracht zu entfalten. Die Frau hatte sich nur auf dem Burghof notdürftig von der Geburt gereinigt, ihr Kleid und ihre Schürze waren von braunen Flecken übersät. Nun richtete sie sich langsam auf und blickte ihm in die Augen.
    Hinrich Krechting grübelte. Er war seit von Ascheburgs Tod nicht mehr in der Lage, seinen Pflichten so nachzukommen wie es vonnöten war. Immer wieder schob sich die Gestalt vor sein inneres Auge, die er in der besagten Nacht gesehen hatte. Sie war in einen dunklen Umhang gehüllt gewesen, das war nicht ungewöhnlich, fast jeder besaß so etwas. Aber die Haltung der Person hatte etwas Eigenartiges gehabt. Es war eine Mischung gewesen aus Furcht und gleichzeitiger Genugtuung. Warum sich Hinrich so dessen sicher war, wusste er nicht.
    Hinrich fühlte sich müde und durch von Ascheburgs Tod selbst angreifbar. Es war, als habe man mit dem Mord auch ihn und seine Ideale verletzt und als würde die Heilung zu lange dauern. Vielleicht viel zu lange. So lange, bis er selbst zum Ziel des nächsten Angriffs wurde.
    Wer aus dem Lager war so voller Hass, dass er es wagte, einen der Ihren anzugreifen, ja, zu töten? Hinrich fragte sich, ob derjenige weitermachen würde oder ob ihm von Ascheburgs Tod genügte. Es konnte, es durfte einfach keiner von ihnen sein. Er ging die Gemeindeglieder der reformierten Kirche durch. Aber auch hier wollte kein Gesicht haften bleiben, das zu einer solchen Tat fähig war.
    Hinrich schloss die Augen, konzentrierte sich auf den Menschen, der in der Mordnacht an seinem Haus vorbeigehuscht war. Ja, er war sich nun ganz sicher, dass es sich nicht um ein Trugbild oder Hirngespinst handelte. Es war ganz eindeutig, was die Körperhaltung der Gestalt geprägt hatte. Nicht die Angst war vorherrschend gewesen, sondern die Genugtuung. Dieses: »Ich werde es euch allen zeigen.«
    »Ich sehe schon Gespenster«, murmelte er. »Ich habe doch nur einen Schatten gesehen, wie soll dieser kurze Moment so etwas bewirken?« Er öffnete die Augen wieder, versuchte, dem Tag ins Gesicht zu blicken, doch er wurde das Bild nicht los, und wenn er ehrlich zu sich war, musste er eingestehen, dass er Angst um sein Leben hatte. Denn wer nicht davor zurückschreckte, von Ascheburg das Leben zu nehmen, würde auch bei ihm, dem Anführer, nicht Halt machen. Es war nur eine Frage der Zeit. Nur deshalb wurde er das Bild der nächtlichen Gestalt nicht los, weil er jeden Abend befürchtete, es könne sein letzter sein. Wäre doch nur Rothmann schon da.
    Jan Valkensteyn taxierte den Himmel. Sie würden Emden bald erreicht haben. Die erste Etappe war geschafft und das Ziel wegen der günstigen Winde wesentlich schneller als geplant erreicht worden.
    In der Seehafenstadt musste er das andere Schiff finden, das ihn unterhalb der Ostfriesischen Inseln in die Jade schippern würde. Da das neue Siel in Gödens noch nicht fertig war und es nur die anderen, eher bedeutungslosen kleineren Häfen gab, waren es nicht allzu viele Reisende, die sich auf den beschwerlichen Weg dorthin machten, denn auch der Handel mit der Region war nicht gerade gewinnbringend. Wie abgelegen dieser Landstrich war, zeigte sich auch daran, dass es Monate gedauert hatte, bis er die Nachricht von Krechting erhalten hatte. Sie rechneten damit, dass dieser Johannes oder wie immer er in Wirklichkeit hieß mitkommen würde. Der Mann musste für die Menschen in der Herrlichkeit große Bedeutung haben. Man hatte ihn, Jan Valkensteyn, zwar für wichtig genug erachtet, ihn zu begleiten oder zumindest die Depesche zu überbringen, aber nicht für vertrauenswürdig genug, ihm die ganze Wahrheit zu sagen.
    Nach Amsterdam konnte Jan jedenfalls nicht mehr zurück. Er hatte Garbrand nur angedeutet, was wirklich geschehen war. Sie

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