Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin
sie wusste, dass sie nicht die Einzige war, obwohl sie wusste, dass sie gegen eines der Gebote Gottes verstieß.
Männer hatten stets ihr Leben gelenkt, auch wenn ihr zwischendurch mal gesagt worden war, dass sie über sich selbst bestimmen könne. Sie hätte sich sogar scheiden lassen dürfen. Hier in Gödens, so hatte sie geglaubt, würde alles besser und ruhiger werden. Doch dann war von Ascheburg in ihr Leben getreten.
Ihre Begierde nach diesem Mann war verderblich. Sie hatte oft überlegt, wie sie Cornelius loswerden konnte. Sie hatte sich gewunden, um sich aus seiner Macht zu befreien. Doch die Sehnsucht nach seinem Körper war so stark, dass sie sie jede Sekunde des Tages beschäftigte. Selbst wenn sie glaubte, sie könne ihn vergessen, würde nie wieder einen Gedanken an ihn verschwenden, war er doch allgegenwärtig, saß stets in einer Kammer ihres Herzens. Cornelius von Ascheburg war nie verschwunden. Auch jetzt nicht, wo seine Seele den Körper verlassen hatte.
Magda hasste ihn dafür, dass er ihr »Nein« mit einem Lächeln abgetan und sich an ihr befriedigt hatte, wie er es auch mit der Marketenderin, der Duuvke Anneke, tat.
Einmal hatte sie ein Messer unter dem Rock versteckt gehabt, das sie ihm in den Bauch rammen wollte, wenn er sie wieder einfach nahm. Doch sie hatte ihn auch da nicht von sich stoßen können. Wie sollte er ihr glauben, dass sie ihn nicht wollte, wenn ihr Körper doch eine völlig andere Sprache sprach?
Nun war er tot. Erstochen, ausgeweidet, und sie war froh darüber. Sie gönnte ihm jede Sekunde der Qual, jeden Schmerz, der ihn bei seinem Todeskampf gepeinigt hatte. Auf der einen Seite. Auf der anderen aber blutete ihr Herz, konnte nicht aufhören zu weinen, sehnte sich nach seinem Atem an ihrem Ohr, seinen leisen Befehlen, die ihr sagten, was sie zu tun hatte, damit ihr Körper die Antwort gab, nach der beide lechzten.
Es gab Momente, da sehnte sie sich nach ihrer eigenen Hilflosigkeit ihm gegenüber, nach ihrer völligen Unterwerfung, danach, die Verantwortung abzugeben und doch gleichzeitig solche starken Gefühle zu empfinden.
Nun würde sie wieder ausschließlich für Melchior die Beine spreizen müssen. Sie hatten es immer nur in der Dunkelheit getan, den Rock oder das Nachthemd hochgeschoben. Magda wusste nicht, was geschehen wäre, wenn ihr Mann der Sache mit Cornelius gewahr geworden wäre. Sie hatte in Gedanken die Rutenstriche auf Rücken und Gesäß oft körperlich gefühlt. Es war auch nicht ausgeschlossen, dass er ihr ein Messer ins Herz gerammt hätte. Vielleicht hätte er auch Cornelius abgestochen. Melchior war keiner, der lange fackelte, wenn es nicht so lief, wie er es sich vorstellte. Aber er hatte von ihr und Cornelius nichts mitbekommen. Ganz bestimmt nicht.
Magda lehnte ihren Kopf gegen die Plane. Ein feiner Luftzug kühlte ihr erhitztes Gesicht. Sie war nun frei und doch gleichzeitig gefangen in ihrer Sehnsucht, die nun nie wieder gestillt werden würde.
Es klopfte an Hiskes Tür, und sie schreckte hoch. Seit sie in jener Nacht in Jever zu der toten Tyabbe Benen gerufen und sie danach der Hexerei angeklagt worden war, dauerte es stets einen Augenblick, ehe sie realisierte, dass sie wirklich nur zu einer Geburt geholt wurde und ihr nichts Böses drohte.
Vor ihrer Kammer stand Adele, das Nachthemd schlotterte ihr um die Beine, die Haube war verrutscht. »Du sollst zu Maria Coevorden ins Lager eilen. Sie kommt nieder!«
Hiske schnappte sich ihren Beutel, in dem sie Kräuter, Essenzen und allerlei Utensilien aufbewahrte, die sie für eine Geburt brauchte. Sie zog ihr Kleid über, raffte die Röcke und eilte über den nassen Weg zum Burghof.
Schon von Weitem vernahm sie den Schrei einer Frau. Ganz eindeutig war das Maria. Die Wachen ließen sie ohne Schwierigkeiten passieren. Hiske schaute sich um, sah, dass in einem der Wagen eine Lampe brannte. Sie schob die Plane beiseite und sah ein junges Weib, das sie mit angstgeweiteten Augen ansah. »Das Kind kommt«, sagte sie nur, dann verzerrte sich ihr Gesicht, und sie stieß erneut einen markerschütternden Schrei aus, der auch in anderen Wagen und in den Stallungen die Mitbewohner weckte. »Mein Mann ist noch unterwegs!«
»Bleib ganz ruhig. Ich helfe dir«, sagte Hiske, kletterte in den Wagen und wühlte in ihrer Tasche. Sie holte ein paar Kräuter heraus, die sie Maria zu kauen gab. »Das wird dir helfen.« Hiske nutzte den Gebärenden gegenüber immer das vertrauliche »Du«, solange sie nicht in
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