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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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lange nicht geregnet hatte. Immer wieder rieb Hiske mit dem Zeigefinger über die Wange, wollte so gern das salzige Nass erspüren, drückte mit der Hand auf den Tränenkanal, als könne sie so die Tropfen zwingen, sich ihren Weg zu bahnen.
    Als nichts geschah, schluckte Hiske den Kloß im Hals herunter, atmete tief ein. Sie wollte stark sein, nicht klein beigeben, und sie würde es allen zeigen. Kein toter Cornelius von Ascheburg würde sie davon abhalten, hier Fuß zu fassen und schon gar kein Klatschweib wie Magda Dudernixen, deren Sprache noch immer stark von ihrem holländischen Akzent geprägt war.
    Es klopfte an Hiskes Tür, und Adele steckte ihren Kopf herein. »Schon auf? In der Wagenburg braucht man dich. Die Frau vom Schmied liegt in den Wehen.«
    »Ich komme. Danke, Adele.« Hiske sprang aus der Bettstatt und ordnete das Strohkissen. Der Sonne nach zu urteilen, war es schon Mittagszeit, sie hatte viel zu lange geschlafen.
    »Ich habe dir Leinen zurechtgelegt, das ich gewaschen habe, dann hast du alles beisammen.« In Adeles Stimme schwang viel Wärme mit, die Hiske nach Magda Dudernixens Angriff genoss.
    Während die Hebamme in ihr Kleid schlüpfte und Adele es hinten schloss, sagte sie: »Jemand hat den Deicharbeitern alle Geräte geklaut. Es ist alles so unheimlich.«
    Hiske zupfte ihr Haar zurecht, schob eine Spange hinein. »Man hat die Geräte gestohlen? Was für Geräte?«
    »Na, die Schaufeln und Hacken. Die sind weg. Das war bestimmt der Bastard, nach dem du mich kürzlich gefragt hast. Und wenn du es genau wissen willst: Ich bin davon überzeugt, dass er auch von Ascheburg aufgeschlitzt hat.«
    Hiske hielt kurz inne, während sie ihre Sachen zusammenraffte und sich suchend umsah. »Wie kommst du denn darauf?«
    »Der ist nicht ganz normal. Weiß nicht, was er tut. Jedem ist er unheimlich. Der wird sich den von Ascheburg geschnappt und getötet haben.«
    »Es kann aber auch ganz anders gewesen sein, Adele. Nur weil er zurückgeblieben ist, muss er ja nicht gleich Menschen töten. Wo gehört er überhaupt hin?«
    Adele zuckte mit den Schultern. »Das weiß keiner so genau. Er war plötzlich da und dann wieder auch nicht. Er ist ein Schatten«, flüsterte sie. »Ein gefährlicher Schatten, der sich durch die Dunkelheit treibt und Böses im Schilde führt. Er bringt Tod und Verderben mit sich, er ist vielleicht ein Handlanger der bösen Mächte, wer weiß.«
    Hiske schüttelte den Kopf. »Ich denke, ihr glaubt nicht an den Teufel, weil er eine Erfindung der Papisten ist. Also sag so etwas nicht!«
    »Er ist aber gefährlich. Allein wie groß und stämmig er ist.«
    Hiske warf sich den Umhang über. »Er ist ein armer Junge, dem das Leben übel mitgespielt hat. Was redest du? Deroder diejenige, die für ihn verantwortlich wäre, ist ein Handlanger des Bösen, bestimmt nicht umgekehrt. Ein Mensch ist immer das, zu was er gemacht wird.«
    Adele schüttelte den Kopf. »Der Junge ist eine Missgeburt, glaube es mir. Und frag, wen du willst. Alle wissen es.«
    Hiske hatte ihr Bündel nun fertiggeschnürt. Sie legte die Hand auf Adeles Unterarm und erkannte die Angst in ihren Augen. »Er ist ein Kind und sicher nicht gefährlich, Adele. Nicht gefährlicher als euer Treiben in der Nacht. Ich bin euch nämlich gefolgt. Du musst mir nichts mehr vormachen.« Damit verschwand Hiske aus der Tür.
    Tyde kümmerte sich um Hebrichs Frisur, als sie sah, wie Hiske auf den Burghof eilte. Die Frau umgab etwas, das nicht zu beschreiben war. Tyde empfand Achtung vor dem jungen und durchaus schönen Weib. Aber auch eine gewisse Furcht, die nicht greifbar war und die sie fühlte, seit sie Hiske zum ersten Mal in die eigentümlichen Augen gesehen hatte. Sie waren von einer Färbung, die nicht eindeutig war, aber es waren klare, wache Pupillen, von der grünen Iris scharf umrandet und von der weißen Lederhaut sehr deutlich abgesetzt. In ihnen schlummerte eine Kühle, die sie ängstigte. Hiske Aalken war eine nicht zu erfassende Person.
    Gestern Nacht war Tyde nicht mehr zur Versammlung gegangen, auch wenn Krechting es nicht gern sah, doch er konnte eine Schwangere wie sie nicht nötigen, wenn sie vorgab, unwohl zu sein. Kurz bevor alles vorbei gewesen war, hatte sie sich dann doch in den Burghof begeben. Sie wollte guten Willen zeigen, denn sie fürchtete Krechtings Wut. Tyde war ein wenig umhergegangen, und dann hatte es begonnen. Ihr war, als sei sie nicht allein. Egal, wohin sie sich wandte: Da war jemand. Ganz deutlich

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