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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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und seiner dunklen Stimme, verstand es, alle Menschen in seinen Bann zu ziehen. Er hatte ein ungeheures Charisma, was ihn auf der einen Seite unwiderstehlich, auf der anderen Seite aber auch gefährlich machte. Sogar mit seiner Kopfverletzung ließ er es sich nicht nehmen, alle Täufer zusammenzutrommeln. Was musste geschehen, damit dieser Mann aufgab? Hiske hätte gern mehr über Krechting erfahren, doch er hielt sich ihr gegenüber sehr bedeckt. Sie spürte seinen großen Respekt ihrer Arbeit gegenüber, aber auch die Distanz, die er wahren wollte. Hiske drückte sich in eine Nische, als sie Stimmen hörte, die nicht aus dem Eingang zum Keller, sondern vom Burgtor kamen.
    Der Wächter fragte etwas, das Hiske nicht verstand, und ließ dann zwei Männer passieren, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Einer war hochgewachsen, schlank und dabei kräftig, ohne dick zu sein, der andere war klein und sehr beleibt. Sicher waren es auch Reisende vom Schiff. Nur warum waren sie nicht mit dem übrigen Tross schon früher im Lager angekommen? Der Wächter rief dem großen Mann ein paar Worte zu, die der mit einem Schulterzucken abtat. Hiske ärgerte sich, dass sie in ihrer Ecke nur Wortfetzen verstand, auf die sie sich keinen Reim machen konnte. Es ging um Krechting, das war alles, was sie verstehen konnte. Doch offensichtlich hatte der Wächter den Befehl erhalten, die Versammlung nicht zu stören, denn er weigerte sich standhaft, die Männer zu Krechting zu bringen.
    So standen die beiden etwas unschlüssig im Burghof herum. Als Hiske im Schein der Fackeln das Gesicht des größeren Mannes sah, bemerkte sie sein markantes Profil. Da er sein Gesicht nicht hinter einem Bart versteckte, fiel ihr sofort auf, wie müde und niedergeschlagen er aussah. Hiskes Blick blieb ein wenig zu lange an ihm hängen. Sie wunderte sich über sich selbst, denn sie hatte sich geschworen, nie im Leben einen Mann an sich herankommen zu lassen. Als sich die Metallschellen im Kerker von Jever in ihre Haut gefressen hatten, war dieser Entschluss gefallen, und er war unwiderruflich. Die Folterer hatten es geschafft, ihr die Liebe zu nehmen, denn sie hatte gelernt, dass von Männern nur rohe Gewalt ausging. Einzig der Wortsammler hatte es mit seiner kindlichen Naivität geschafft, in ihr einen Funken Wärme zu entzünden.
    Hiske sah, dass der große Mann immer wieder unter seinen Umhang griff, so als müsse er etwas hüten. Sie hätte zu gern gewusst, was er dort verborgen hatte. In diesem Moment wandte er den Kopf und blickte in ihre Richtung. Hiske drückte sich tiefer in eine Nische. Es war besser, wenn er sie nicht sah, wer wusste schon, in welcher Mission er hier war. Nicht, dass die beiden Gesandte aus Jever waren, die auf der Suche nach ihr waren und sich nur unter den Tross der Neuangekommenen gemischt hatten, um unerkannt zu bleiben. Remmer von Seediek traute sie alles zu. Er wollte sie auf dem Scheiterhaufen sehen, hatte die Niederlage, dass sie freigekauft worden war, nie ganz verschmerzt und ihr ewige Rache geschworen. Wenn sie einen wirklichen Feind auf dieser Welt hatte, war es mit Sicherheit der Kanzler Fräulein Marias von Jever.
    »Dummes Zeug«, schalt sie sich. »In dem Fall hätten die Wachen sie bestimmt nicht einfach so in der Nacht eingelassen. Sie wären misstrauisch gewesen.« Die Männer mussten einen anderen Grund haben, hier zu sein. Vermutlich hatten sie das Schiff einfach später verlassen, warum auch immer. Hiske wagte wieder einen Blick. Der Größere sah sich suchend um. Offensichtlich wollte er seine unter dem Wams verborgene Last so rasch wie möglich loswerden. Wahrscheinlich hatte er abgewartet, bis alle die Knorr verlassen hatten, und sich dann allein mit seinem Begleiter auf den Weg gemacht.
    Hiske zuckte zusammen, als ein Hustenanfall den Dicken erschütterte. Sie betrachtete ihn das erste Mal genauer und erschrak. Sein Gesicht war eingefallen, seine Haut blass und teigig. Ganz offensichtlich schien er sehr krank zu sein. Das feuchte Klima dieses Landstrichs wäre Gift für seinen Husten. »Hier ist keiner, Jan«, keuchte er jetzt. Er hatte einen merkwürdigen Akzent. »Wer weiß, wo sie alle stecken.« Ein erneuter, furchtbarer Hustenanfall folgte diesen paar Worten. Wenn Hiske sich nicht sehr täuschte, hatte der Mann hohes Fieber, und, kurzatmig wie er war, musste seine Lunge entzündet sein. Der Mann, den der Kranke Jan genannt hatte, winkte ab. Er wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger, schritt mit

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