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Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin

Titel: Hiske Aalken 01 - Die Lebenspflückerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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dem zu entgehen. Sie hätte das ganze Lager gegen sich. Nicht dabei zu sein, grenzte an Aussatz. Krechting versuchte mit allen Mitteln, sie alle hier im Glauben zu einen. Er würde scheitern, dessen war sie sich sicher.
    Die Marketenderin warf sich ein Tuch über die Schultern, und als sie am Stall vorbeikam, hörte sie das erste Weinen eines Kindes. Hiske hatte wieder einer kleinen Seele auf die Welt geholfen. Manchmal dachte Anneke, wie sinnlos das alles war, wo doch so viele das erste Jahr gar nicht überlebten. Und wenn doch, wurden sie später in irgendwelchen Kriegen oder anderen Auseinandersetzungen einfach getötet, wurde ihnen der Kopf vom Hals gesäbelt, so wie man einen Kohlkopf vom Feld schnitt.
    Anneke überlegte, wie Krechting es schaffen wollte, dass die Hebamme nichts von dem Treiben hier mitbekam. Noch kümmerte sie sich um das Kind, aber schon gleich würde sie aus dem Stall kommen und alle Menschen hier versammelt sehen. Es sollte nicht Annekes Sorge sein. Wahrscheinlich wusste Hiske ohnehin längst, wohin sie geraten war. Anneke wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Krechting aus seiner Lethargie erwachte und das Lagerleben wieder in den normalen Bahnen verlief.
    Anneke sah in Richtung der Stallungen, es war ruhig, vermutlich saugte das Kind glücklich an der Brust seiner Mutter. Genau so, wie es sein sollte, wenn alles in Ordnung war. Nur war in diesem Lager nichts in Ordnung. Es war, als hinge das Schwert des Scharfrichters über ihnen und wartete nur darauf herabzufahren und ihnen allesamt mit einem Hieb den Kopf abzuschlagen. Und wie zur Bestätigung sah sie aus dem Augenwinkel den Schatten des Knaben, der sich mal wieder hier herumdrückte.
    Hiske beobachtete die junge Mutter genau. Sie hatte ihr die ganze Nacht hindurch in den Wehen beigestanden, und das Kind war gesund auf die Welt gekommen. Nun war die Frau am Ende ihrer Kräfte. Die lange Reise in die Herrlichkeit war einfach zu viel gewesen. Doch trotz ihrer Schwäche richtete sie sich jetzt auf und wollte in ihren Rock schlüpfen. »Ich muss in die Katakomben. Krechting hat gesagt, es sollen alle kommen, auch die Neuankömmlinge«, sagte die Frau. Das Kind hatte die Brustwarze losgelassen und schlummerte seelenruhig im Arm der Mutter.
    »Du musst dich ausruhen«, sagte Hiske und drückte die Frau auf das Strohlager zurück. »Du hast viel Blut verloren, und wenn du jetzt aufstehst, fällst du um und dann womöglich die Treppen herunter.«
    »Krechting duldet nicht, dass jemand fehlt! Das hat er sehr deutlich gemacht!« In die Stimme hatte sich jetzt ein Hauch von Panik gelegt.
    »Du bleibst!«, entschied Hiske, als sie sich den Blutfluss angesehen hatte, der noch zu stark war, als dass die Wöchnerin aufstehen durfte. Es würde sie umbringen. Hiske legte ihr nasse, kalte Tücher auf den Bauch, gab auch ihr von dem Hirtentäschelsud und wartete, ob die Blutung nachließ. Zusätzlich gab sie ihr verschiedene Kräuter zu kauen, die sie wieder zu Kräften kommen lassen würden. Die junge Mutter schien über das Verbot der Hebamme fast dankbar zu sein, sie legte sich ohne Gegenwehr zurück, wurde zusehends müder, bis sie schließlich in einen tiefen Schlummer fiel.
    Hiske hockte sich neben sie, untersuchte sie in regelmäßigen Abständen und stellte zufrieden fest, dass sich die Blutung normalisiert hatte. Sie wartete noch eine Weile. Einerseits wollte sie in der Nähe der Frau bleiben, andererseits aber nachsehen, was sich auf dem Burghof tat. Sie würde ja hören, wenn die Wöchnerin erwachte. Hiske sah hinaus, alles lag wie ausgestorben vor ihr. Alle, auch die Neuen, waren in den Katakomben verschwunden. Sie kannten einander nicht, und doch war allen klar, was von ihnen erwartet wurde. Woher wusste Krechting, dass sie alle zusammengehörten? Sie hätte die Frau gern noch mehr über diese Zusammenkünfte ausgefragt, denn sie schien genau zu wissen, worum es ging. Doch es war besser, das Weib schlafen zu lassen. Sie war völlig erschöpft von der Reise und der Geburt.
    Hiskes Blick schweifte umher. Schließlich sprang sie vom Wagen und drückte sich an den Hofmauern entlang, um nicht gesehen zu werden. Tyde war die Einzige, die sich den Treffen hin und wieder verweigerte, wie sie von Adele wusste. Auch heute war sie nicht dabei gewesen. Sie genoss in der Burg den Schutz der Häuptlingswitwe, da hatte sie mehr Freiheiten, als wenn sie Krechting direkt unterstellt war. Er war wirklich ein seltsamer Mann, faszinierte mit seiner Dominanz

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