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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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anschieben. Dann setzt er sich schaukelnd in Bewegung.
    Hin und wieder hängen sie in einer Bodensenke fest, dann ist es schwierig, den Karren herauszuziehen, aber sie schaffen es jedes Mal. Die Wege sind trocken, am Ende des Tages werden sie Amsterdam erreicht haben. Amilia singt und freut sich. Sie braucht kaum eine Pause. Nur ein einziges Mal nimmt sie den Proviantbeutel vom Wagen und reicht dem Mädchen ein Stück Brot mit Speck. »Ich will vor Einbruch der Dunkelheit ankommen«, sagt Amilia. »Sonst ist es auf den Straßen für uns zu gefährlich.«
    Dem Mädchen ist es egal. Es will zurück. Zur Ziege. Und zur Kuh. Die große Stadt ist sowieso gefährlich.
    Amilia bemerkt die Traurigkeit. Sie streicht dem Mädchen über den Kopf. »Vielleicht bleiben wir nicht lange dort, kleine Meisje. Es sieht so aus, als würden wir auf eine große Reise gehen. Nach Ostfriesland, dort sind Menschen wie wir sicher. Dort ist alles gut.«
    »Auch sicher vor Jungs mit Geräuschen und vor Blut? Auch wenn man keinen Meerkristall hat?« Das Mädchen hat große Augen, als es das sagt. Jetzt hält Amilia doch kurz inne. Der Karren bleibt ruckartig stehen, und für einen Augenblick scheint es, als kippe die gesamte Ladung um.
    »Was nur hast du erlebt, Meisje? Wovor hast du solche Angst? Ich werde dich beschützen.«
    Das Mädchen zuckt mit den Schultern. Sie will zurück zur Kate, nicht nach Amsterdam, nicht nach Ostfriesland. Da überall hat sie keine Kuh mehr. Keinen Kräutergarten, keine Ziege. Und auch keinen Waschzuber. Nur zwei Stück Seife, die sie in der Schürzentasche wie einen Schatz hütet. Sie erinnern sie daran, wie schön es ist, zu baden.

14. Kapitel
    Was tust du, Weib?« Dudernixens Stimme drang durchs Baderhaus und touchierte die Wände, sodass jeder Ton zurückzuspringen schien. Eben war ein weiteres Gewitter über das Land gefegt. Die Menschen in der Neustadt waren allesamt auf den Beinen, um aufzuräumen und die Schäden zu beseitigen. Dachpfannen waren heruntergeweht und mit lautem Scheppern auf dem Pflaster zerschellt. Eine neu gebaute Hauswand war einfach eingedrückt worden, als habe ein Riese sich dagegen gelehnt. Auf dem Weg zur Burg hatte der Sturm etliche Bäume entwurzelt, und der Deich war an einer Stelle leck. Er musste dringend verschlossen werden. Die Rufe und das Scheppern dieser Arbeiten bahnten sich ihren Weg bis ins Haus.
    »Nix, ich suche nichts«, stotterte Magda. Ihr Gesicht hatte die rote Klinkerfarbe der Hauswand angenommen, Schweiß perlte über ihre Stirn.
    »Du suchst das Medaillon! Stimmt’s, Weib?«
    Magda schloss die Augen, faltete die Hände vor dem Bauch und schickte ein Stoßgebet zu einem Gott, von dem sie aber keinerlei Vorstellungen mehr hatte. Er entsprach weder dem Bild, das die Vermahner der Mennoniten von ihm malten, noch dem der katholischen Kirche, das sie als Kind verinnerlicht hatte, oder dem, was Magda von ihrer Mutter gepredigt worden war. Ein Gott, der jeden Schritt beobachtet, kleine Sünden sofort bestraft, aber dennoch gut auf einen aufpasst. Er hatte aber nicht gut auf Magda aufgepasst. Sie war schon viel zu früh von Gott und seinem Sohn verlassen worden. Er hatte in ihren Augen nie großes Interesse an einem kleinen Mädchen wie ihr gehabt, das allein, einer verlorenen Feder gleich, übers Land getrieben wurde, mal irgendwo kurz Ruhe fand und mit dem nächsten Windhauch wieder abhob.
    »Ich rede mit dir!« Die Stimme ihres Mannes dröhnte, trotz des frühen Morgens war sie alkoholgeschwängert. Wenn Melchior trank, hatte er große Furcht. Es war sein Mittel, den Alltag mit all seinen Bedrohungen und Hinterlistigkeiten zu beherrschen. Er hatte auch genug getan, was ihn zu Recht das Leben fürchten ließ.
    Magda kannte ihren Mann, sie wusste, zu was er fähig war. »Wo hast du ihn versteckt, Melchior? Er ist verflucht. Lass uns das Ding versenken, irgendwo tief im Meer. Bitte!«
    Melchior lachte. »Verflucht? Du bist Mennonitin, du glaubst an Geister, womöglich an den Teufel? Dass ich nicht lache! Irre bist du! Sag so etwas bloß nicht vor den anderen, wir können sonst gar nicht so schnell gucken, wie wir ausgestoßen werden. Bei den Reformern kriegen wir auch kein Bein an Deck, und zurück nach Holland geht ebenfalls nicht. Da rollen unsere Köpfe, kaum haben wir einen Fuß auf deren Erde gesetzt. Also halt dein Maul!«
    »Du hast den Kaufmann getötet, Melchior. Dein Kopf kann auch hier rollen, das weißt du!«
    Dudernixen riss Magda zu sich herum und

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