Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
umfasste ihr Kinn mit eisernem Griff. »Sag das noch mal, Weib! Sag noch ein Mal, dass du deinen eigenen Mann für einen Mörder hältst!«
Magda wand sich unter dem schmerzhaften Griff und schüttelte den Kopf hin und her, um ihn zu befreien. Aber Melchiors Hand war zu groß, zu kräftig. Es gelang ihr nicht. Sie stieß ein paar unartikulierte Laute aus, denn mehr war unter diesen Umständen nicht möglich. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihren Mann an und versuchte, ihn auf die Weise um Gnade anzuflehen.
Der fixierte sie sekundenlang, ohne seinen Griff zu lösen. Je länger er seine Frau ansah, desto mehr weiteten sich seine Augen, bis er schließlich einer teuflischen Fratze glich. Schließlich lockerte sich sein Griff. Magda bewegte ihren Kiefer, was ihr nur unter Schmerzen gelang. »Ichs ssag nichss mehr!«
Melchior antwortete drohend: »Besser ist das. Und frag nie wieder nach dem Medaillon, suche es nicht. Halt dich da raus, egal, was du mit dem Ding zu schaffen hast.«
Grieta saß in ihrer Kammer, hatte die Kristallperle aus der Rocktasche gezogen und drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Sie war ihre Versicherung auf ein besseres Leben. Sie würde packen und mit dem nächsten Schiff von hier verschwinden. Es gab Dinge, die sie besser hätte nicht tun sollen. Lina die Empfehlung mit dem Holzpflock zu geben zum Beispiel. Sie würde vielleicht noch leben. Dann allerdings mit dem Kind des Teufels im Bauch, und das hatte sie unbedingt verhindern müssen.
Das Leben hatte ihr keine andere Wahl gelassen, als genau so zu handeln, wie sie gehandelt hatte. Erst war es nur die Sorge um ihre eigene Sicherheit gewesen, doch nach und nach hatte auch der Gedanke überwogen, dass es ihr gutes Recht sei, die Dinge auf diese Weise zu lenken. Sie hatte stets auf der dunklen Seite des Lebens gestanden. Etwas Licht war auf sie gefallen, als sie bei Anneke einziehen durfte. Und nun lief sie Gefahr, auch das wenige Etwas zu verlieren.
Der Teufel hatte mit Friso van Heek Einzug in ihr Haus gehalten. Friso van Heek, der Handlanger der Hexe, die sich vor drei Jahren in Gödens eingenistet hatte und ihre Kräfte bündelte, um bald wieder zuzuschlagen. Genau so hatte es Klaas Krommenga zu der jungen Duuvke gesagt. »Du kannst mir helfen, dieses Weib für immer loszuwerden. Sie ist nicht nur eine Tochter Satans, sie ist seine Frau. Sie dient ihm mit Leib und Seele unter dem Deckmantel der Mitmenschlichkeit, und jeder, der sich ihr in den Weg stellt, ist verflucht.«
Grieta hatte das Bein von Klaas gesehen. Er hatte es ganz entblößt, und sie konnte das trockene Holz erkennen, das aussah, als habe er seine Knochen freigelegt. »Das habe ich ihr zu verdanken. Das ist reines Teufelswerk. Es gibt nur einen Weg, wenn ihr hier in der Herrlichkeit überleben wollt, vor allem, wenn du überleben willst. Hilf mir, sie zu töten!«
Grieta war zurückgeschreckt. Aber dann war sie eingeknickt. Nicht zuletzt, weil Klaas ihr etliche Gulden und Schap in die Hand gedrückt hatte, mit denen sie die nächste Kraweel besteigen konnte. Damit kam man binnen kürzester Zeit nach Emden und von dort über Holland nach Westfalen. Am liebsten würde sie nach Köln reisen. Dort herrschte der wahre Glaube. Dort gab es Priester, die die rechte Hand Gottes waren. Dort gab es noch den Glauben an den Papst, den Stellvertreter Gottes auf Erden, den Nachfolger von Petrus. Alles hatte seine Ordnung. Dort würde man ihr Tun zu schätzen wissen. Sie, Grieta, hatte einer Hexe widerstanden, sie dingfest gemacht und zurück ins Höllenfeuer geschickt. Bei diesem Gedanken wurde ihr klar, dass sie keinen Mord begehen würde. Im Gegenteil: Sie handelte im Auftrag des Herrn, der Satan und seine Helfer bezwingen musste. Die anderen Stimmen missachtete sie, drückte sie nieder. Eine Hexe zu töten, war eine Notwendigkeit, weil man die Menschheit damit vor großem Schaden bewahrte. Von klein auf hatte sie das gelernt, nur hier musste sie darüber schweigen. Hier, in dem Ketzernest, wo Satans Mannen Tür und Tor geöffnet wurden. Wo der Teufel in Menschengestalt über die Huren steigen und ihnen bösartige Wechselbälger machen durfte, damit noch mehr seiner Art diesen Boden befleckten. Sie würde ein gutes Werk tun, wenn sie Klaas half, Hiske zu töten. Genau, wie Frisos Tod ganz in Gottes Sinne war.
Grieta strich mit der Eisträne über ihre Wange. Sie war ihr Glückspfand, vom Herrgott als Zeichen geschickt. Solange sie die bei sich trug, würde
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