Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Mennisten.« Die Häuptlingswitwe war zu dem allgemeinen Schimpfwort für die Mennoniten übergegangen. »Sie müssen in ihre Schranken gewiesen werden. Das Täufertum aus Münster ist tot, und die Mennisten aus Holland haben kein Recht, den Menschen, die hier seit Jahrhunderten leben, die Zügel aus der Hand zu nehmen. Was habt Ihr in dieser Richtung vor? Ich will keine Toten mehr. Der Mord am Lokator Cornelius von Ascheburg war schon zu viel. Die nun herrschende Ruhe muss unbedingt«, Hebrich hob das Kinn an, nagelte Krechting und Schemering mit ihren Blicken fest, »unbedingt erhalten bleiben!«
Krechting kniff kurz die Lippen zusammen. Er wollte widersprechen, eine Bresche für seine ehemaligen Brüder und Schwestern schlagen, aber er vermochte es nicht. Eine Weile herrschte Stille, und Krechting erkannte, dass auch Kremer an sich halten musste, war er doch ein überzeugter Mennonit.
»Ich weiß, dass sie ein Bethaus möchten«, wagte Krechting schließlich einzuwenden. Dabei übersah er das entsetzte Kopfschütteln seines Neffen und auch die Stirn der Häuptlingswitwe, die sich mit jeder Silbe, die er anführte, ein bisschen stärker in Falten legte. »Ein Bethaus«, wiederholte sie. »Mit welchem Recht, Krechting? Die Menschen haben hier Asyl, keiner tut ihnen etwas zuleide. Ein Bethaus ist in der Neustadt nicht vorgesehen.«
»Sie müssen ihren Glauben ausüben können, Herrin«, sagte Kremer.
Hebrich überlegte. »Sie könnten einen Zins abführen.«
»Ihr wünscht Schutzgeld?«, fragte Krechting.
»Ich muss an das Wohlergehen der Herrlichkeit denken. Jahrelang haben diese Menschen ohne Zins auf meinem Hof gelebt, mir ein unruhiges Leben beschert. Nun gebe ich ihnen eine Stadt nach holländischem Vorbild; wenn sie ein Bethaus wollen, dann müssen sie zahlen.«
Krechting schluckte. Das Gespräch nahm eine Wendung, die ihm nicht gefiel. Die Zinsforderung würde die Mennonitengemeinde an ihre Grenzen bringen.
Hebrich dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Sie können eigentlich vorerst in Scheunen zusammenkommen, hier hat ihnen mein Keller auch genügt. Aber auch dafür möchte ich eine Abgabe. Das Bethaus muss warten. Es gibt einfach vordringlichere Ziele.«
Kremer atmete tief ein, er hatte sich eine andere Auskunft erhofft. Vielleicht würde es die Zeit bringen.
Hebrich klingelte und ließ etwas Käse und Brot aus geweißtem Mehl bringen. Dazu gab es Trauben, gebratenes Huhn, Muscheln und ein paar Äpfel. Hebrich hatte wahre Delikatessen aufgetischt, womit sie sich ihr Leben angenehm gestaltete. Als das Dienstmädchen verschwunden war, langte sie zu und bot auch ihren Gästen an, sich zu bedienen. Erst dann führte sie das Gespräch weiter und wandte sich an Krechting. »Ich möchte in der Neustadt ein gutes Armenwesen einführen, dafür seid Ihr im Amt. Die Fürsorge ist für einen Flecken am Hafen unerlässlich.« Sie fixierte den Juristen mit scharfem Blick. »Wir dürfen unsere Augen vor der Armut nicht verschließen. Ihr seid streng, habt das Hurenwesen unterbunden, jegliche Kurzweil eingeschränkt. Aber für das Los der Armen habt Ihr keine weitreichenden Maßnahmen ergriffen. Das muss anders werden. Es gibt viele Dinge in dieser Richtung, die Ihr noch nicht genügend bedacht habt.«
Hinrich zuckte unter der harschen Kritik zusammen, suchte nach Worten. »In Emden haben sie ähnliche Probleme, weil sich dort auch so viele Flüchtlinge aufhalten.«
Hebrich nickte. »Ihr reist in naher Zukunft dorthin und seht Euch an, was da für die Armen getan wird. Die Reise dauert mit diesen neuen Schiffen nicht mehr lange. Danach setzt Ihr das, was machbar ist, hier auf der Stelle um.« Sie zögerte. »Weiter haltet Ihr Euch an Garbrand oder wie dieser merkwürdige Gefährte Jan Valkensteyns, den er aus England hier eingeschleppt hat, auch heißen mag. Er weiß, wie das Armenwesen umzusetzen ist. Wie auch immer man die katholischen Klöster bewerten mag: Ihre Erkenntnisse in der Heilkunst und der Armenfürsorge sind ausgezeichnet.«
Krechting setzte für einen kurzen Moment das Herz aus, und er erkannte, dass es Kremer ebenso ging. Es dauerte eine Weile, bis er sich gefasst hatte. »Herrin, Ihr wisst, dass ich aus Münster komme und an der Seite Jan van Leydens gedient und gegen den Katholizismus und den Fürstbischof von Waldeck mit dem Schwert gekämpft habe. Ihr wisst, worin meine innere Gesinnung besteht. Um des Friedens willen habe ich meinen täuferischen Glauben zugunsten des
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