Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
zusammenreißen, schließlich wollte er seine Waren in der Herrlichkeit verkaufen und auch wiederkommen dürfen. Obgleich die Menschen hier seltsam waren. Kein bisschen Freude, überall ernste, verschlossene Mienen und eine Demut, wie er sie noch nie irgendwo gesehen hatte. Leben könnte er hier nicht.
Ihm waren auch die begehrlichen Blicke nicht entgangen, die so mancher auf das Medaillon geworfen hatte. Meist trug er es unter seinem Wams oder der Robe, doch hin und wieder wanderte es darunter hervor und erregte Aufsehen. Das war Friso durchaus gewohnt, aber hier war ihm nicht verborgen geblieben, wie erstarrt besonders ein Augenpaar daraufgeblickt hatte. Fast so, als habe es den Meerkristall schon einmal gesehen.
Friso stürzte noch einen Becher Dünnbier herunter. Sein Bedürfnis nach einem Weib wurde immer unkontrollierbarer. Nur selten hatte er eine solche Begehrlichkeit in sich gespürt, und das hing mit diesem kleinen dunklen Weib zusammen, das Augen von einer Farbe hatte, die nicht von dieser Welt zu sein schienen. Er hatte schon vor seiner Reise hierher von ihr gehört, man hatte nicht zu viel versprochen.
»Ich möchte noch Käse und Genever. Der Branntwein und das Dünnbier schmecken zum Würgen!«, pöbelte Friso und überlegte, ob es nicht besser wäre, sich in seine Bettstatt zurückzuziehen. Er verlor immer mehr die Kontrolle über seine Triebe. Eine gefährliche Sache. Es wäre nicht das erste Mal, dass er danach nur mittels seiner Spitzfindigkeit den Kopf aus der Schlinge ziehen konnte.
Der Wirt knallte ihm einen weiteren Branntwein vor die Nase. »Genever muss ich erst besorgen. Gibt es vielleicht morgen. Musst das saufen oder es lassen.« Damit wandte er sich ab und verkroch sich hinter seinem Ausschanktisch. Der Wirt war klein und untersetzt, überragte die Kante gerade mit seiner Brust.
Friso bemerkte an seinem mürrischen Blick und an seiner Körperhaltung, dass er sehnlichst darauf wartete, sein Gast möge sich endlich zurückziehen. Der Alkohol löste Frisos Zunge. »Wenn du keine Lust mehr hast, mich zu bewirten, dann sag mir einfach, wo ich zu solch später Stunde noch ein Weib herkriege. Ohne in die Neustadt laufen zu müssen. Sonst werde ich weiter dieses Teufelszeug in mich reinkippen, damit ich die Nacht überstehe!«
Der Wirt blickte zu Friso, näherte sich mit ein paar Schritten, bis er direkt vor ihm stand. Dort verschränkte er die Arme vor der Brust und wartete den nächsten Wortschwall ab.
»Hast du keine geheime Empfehlung für mich, werter Mann? Du bist doch auch ein Kerl!«
»Die Mennisten und das ganze Loegenpack haben hier keine Huren. Die sind rein«, höhnte der Wirt. »Die machen so was nicht. Und wir Reformierten brauchen das auch nicht. Also: Hier müsst Ihr es Euch selbst machen!« Die mächtige Pranke des Wirts sauste auf Frisos Schulter nieder. »Es gab mal eine Marketenderin auf dem Burghof, aber der haben sie ihr Gewerbe verboten. Die macht das nun nicht mehr.« Der Wirt lachte laut auf.
Friso sah ihn an und lallte: »Da weiß ich wohl mehr als Ihr, aber ich schweige wie ein Grab, um Euch frommes Gesocks nicht in Unruhe zu versetzen. Gibt es noch was anderes? Meine Beine tragen mich heute nicht mehr so weit. Komm, unter uns Männern muss da doch was zu machen sein!«
Der Wirt lehnte sich jetzt zu Friso herunter. Auch sein Atem war alkoholgeschwängert. »Das Weib des Baders hebt gern mal die Röcke für ein Schäferstündchen. Zumindest war sie dem Lokator, der kurz darauf sein Leben gelassen hat, zu Willen.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber die wohnt in der Neustadt, werter Kaufmann. Da müsst Ihr Euch auf den weiten Weg machen, ob es Euch gefällt oder nicht. Hier gibt es nicht viele Möglichkeiten, wenn man kein eigenes Weib hat.« Über das Gesicht des Wirtes kroch plötzlich ein breites Grinsen. »Ihr könnt ja die vermaledeite Hebamme nehmen. Die müsst Ihr danach aber ehelichen. Die ist bestimmt noch Jungfrau! Aber sie wohnt nicht weit von hier.« Als hätte er einen guten Witz gemacht, hieb sich der Wirt auf den Oberschenkel und begab sich wieder hinter den Tresen. Von dort sah er noch einmal zu Friso herüber. »Aber seid vorsichtig, man sagt ihr nach, sie sei eine Toversche, eine Hexe. Wer weiß, was die einem Mann alles wegzaubert.« Er trocknete die letzten Becher ab und stellte sie auf die Ablage. »Ich habe Euch gewarnt. Ihr müsst jetzt gehen, ich schließe, und es gibt nichts mehr zu trinken.«
Friso van Heek nippte am restlichen
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