Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Neustadt eingehalten wurde. Die Geschäfte des Baders liefen prächtig, zumal das neue Siel immer häufiger auch von großen Schiffen angelaufen wurde, mit denen fremde Menschen und Waren ins Land kamen. Im letzten Monat hatte die erste Kraweel hier angelegt, der weitere, so wie heute, gefolgt waren. Es war ein großes Segelschiff mit drei Masten und Geschützen darauf. Davon sollten in Zukunft noch mehr in das Siel kommen, denn auch sie hatten nur einen niedrigen Tiefgang und deshalb mit dem flachen Gewässer keine Schwierigkeiten. Aber sie waren seetüchtiger als die kleinen Knorren und viel erhabener. Auch ein Hulk aus Bremen hatte den neuen Hafen schon angesteuert, und eine Kogge würde nicht lange auf sich warten lassen. Diese Schiffe würden die einfachen Knorren bald ganz ablösen.
Eben hatte er zwei Seeleuten ein Bad gerichtet, sie waren gleich fertig, und er musste die Waschzuber leeren.
»Hast du heute Morgen den Kaufmann am Siel gesehen?«, flüsterte Magda. »Sein Medaillon?«
Melchior zuckte zurück. »Ein Medaillon?«
»Es ist ihm aus dem Samtrock gerutscht, und darauf war ein Kristall im Meer abgebildet.«
»Und?« Dudernixen war unwirsch. Er hasste es, wenn er Magda alles aus der Nase ziehen musste.
Die antwortete jedoch nicht mehr, sondern zitterte, als streiche der Wind durch die Blätter eines Baumes.
»Dann hat er halt ein Medaillon.« Der Bader schüttelte den Kopf. »Ich habe zu tun, Magda, und keine Zeit für dein Weibergeschwätz. Sieh du zu, dass mein Samen endlich auf einen fruchtbaren Schoß trifft und nicht wieder verdorrt wie ein Setzling, der kein Wasser bekommen hat.«
Er sprang auf, schließlich hatte er zu tun. Sein Badehaus lag in der ersten Siedlungsstraße der Neustadt. Dieser Weg führte noch zum alten Hafen, der jetzt nach und nach verlandete. Aber der Bader war dicht am Geschehen, bekam alles mit, was geschah, und je mehr Menschen dort wohnten, desto aufregender würde das Leben werden. Auch ohne Gaukler und Kurzweil.
Magda saß noch immer weinend in der Ecke des Bettes und machte keinerlei Anstalten, sich zu erheben. Schließlich hob sie den Kopf an. »Du treibst es doch auch mit anderen. Immer gehst du zu dieser Marketenderin und ihren Huren. Alle schlechten Männer tun das.«
Melchior holte aus und ließ seine Handfläche auf ihre Wange klatschen. »Du wagst es! Es steht dir nicht zu, mein Tun zu hinterfragen. Ich bin ein Mann!« Mit diesen Worten verließ er die Kammer. Er hatte keine Lust auf weitere Vorhaltungen. Er tat, was er für richtig hielt, ob es seinem Weib gefiel oder nicht.
Ein paar Häuser weiter hatte sich tatsächlich die Marketenderin Anneke niedergelassen und im vorderen Teil des Hauses einen kleinen Laden eröffnet. Auch eine Idee Krechtings, der die Duuvke rasch vom Burghof haben wollte. Sie sollte sich nun ausschließlich ihrem kaufmännischen Gewerbe widmen, für Prostitution war kein Platz in dem neuen Flecken. Sie verkaufte Dinge für den täglichen Gebrauch.
Dudernixen grinste. Anneke hielt sich nicht an die Anweisungen des Juristen. Sie brachte auch weiter heimlich ganz andere Dinge an den Mann, nur musste sie in der Neustadt weitaus vorsichtiger sein als in der Wagenburg, wenngleich sie ihr Treiben nie offen zur Schau gestellt hatte. Sie hatte, damals wie heute, nie Gelb an sich getragen, was jedem ihre Tätigkeit sofort gezeigt hätte. Dennoch war allen bekannt gewesen, welchem Gewerbe sie, neben ihrer Arbeit als Marketenderin, nachging, weshalb Krechting so hart durchgriffen hatte. Vergessen war die Vielweiberei in Münster, vergessen, wie ausschweifend Jan van Leyden mit den vielen Frauen gelebt hatte.
Während Krechting im Lager noch geflissentlich über all das hinweggesehen und dort nur die Zusammenführung der Täufer aller Richtungen im Auge gehabt hatte, achtete er jetzt streng auf die Einhaltung der angeordneten Sitten. In der Neustadt sollten die Regeln des Neuen Jerusalem nun wiederaufleben, unter dem Deckmantel der reformierten Kirche. Politisch war das sehr klug, denn es entsprach dem, was die meisten Menschen erwarteten, egal, welcher Glaubensrichtung sie entsprangen. Wichtig war, es anders zu machen als die Papisten, wenngleich auch die ihre Weibergeschichten nie offen zur Schau stellten. Das ganze Leben war ein Schauspiel, man musste stets nur achtgeben, in der richtigen Besetzung zu spielen, das hatte er schon früh erkannt.
Dudernixen begrüßte es, dass Annekes Tür weiter für die Männer offen stand, sie hatte
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