Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
er wird sich das Messgewand überwerfen müssen. Noch im Laufen nimmt er den Siegelring aus der Seitentasche und steckt ihn zurück an den Finger.
Ihm begegnen ein paar junge Geistliche, die bei seinem Anblick buckeln. »Bischof«, hauchen sie und verschwinden lautlos in der Sakristei.
Er wendet sich zum großen Klostergarten, und als er sich unbeobachtet fühlt, holt er das Schmuckstück aus der Tasche.
»Du bist der Meerkristall! Durch dich wird sie an mich erinnert. Du bist ewig, aber nicht rein, wie ich es gewünscht habe!« Der Bischof senkt verzweifelt den Kopf, als ihm deutlich wird, was er mit der Erschaffung dieses Kunstwerkes getan hat. Zwar ist Gott gnädig zu ihm gewesen und hat den Alten von allein zu sich geholt und so verhindert, dass der Bischof sich noch mehr versündigt. Dennoch hat der Alte sein Leben für den Meerkristall gelassen.
Der Bischof geht in die Kirche, nimmt Weihwasser und segnet erst das Medaillon und anschließend die kleine Träne. Er hofft, dass der Segen das Böse überwinden wird und seine bösen Visionen nicht wahr werden. Denn am Meerkristall klebt Blut.
3. Kapitel
Der Bader Melchior Dudernixen blickte zu seiner Frau Magda, die zusammengerollt auf der Bettstatt lag. Ihre Schultern zuckten. Sie weinte ihre lautlose Trauer, er kannte das schon. Es berührte ihn nicht.
Wer sich von einem anderen ein Kind machen ließ, musste die Last eben ein ganzes Leben ausbaden. Sie war seine Frau, und sie hatte zu tun, was er wollte. Es war ihm in den letzten Jahren zur Gewohnheit geworden, sie zu benutzen, wozu immer er sie brauchte. Er ließ sie immer wieder Arbeiten verrichten, die sie ekelten. Oft weckte er sie auch mitten in der Nacht und ließ sich einen Haferbrei kochen. Magda wehrte sich nicht, sie war zu einem elenden Bündel Mensch verkommen. Nichts war mehr übrig von dem Waschweib, das sich mehr als einmal die Zunge an den Gerüchten verbrannt hatte, die ihr ständig über die vollen Lippen geglitten waren. So sehr Dudernixen das abgestoßen hatte, so sehr vermisste er es jetzt. Damals hatte sie noch etwas Pfeffer gehabt, wirklich gelebt. Nun schlich sie herum wie ein Schatten ihrer selbst. Ein Albtraum für einen Mann.
Vielleicht würde sich in ihrem Bauch bald sein Samen einpflanzen und zu einem stattlichen Dudernixen heranwachsen. Das würde sie sicherlich auf andere Gedanken bringen. Doch Magda wollte seine Frucht einfach nicht annehmen. Jeden Monat, wenn sie blutete, erzürnte ihn das, war es doch der Beweis dafür, dass er nicht in der Lage war, seine Manneskraft in Leben umzusetzen.
Das verdammte Wechselbalg, das in Magda gewachsen war, hatte auch nicht lange die Luft der Herrlichkeit mit seinem Atem verpestet. Das Marschenfieber hatte es dahingerafft, so wie es gerade viele der Kinder in die Ewigkeit schickte. Es war nicht nötig gewesen, etwas zu tun. Das Schicksal hatte alles für ihn gelöst.
Nun galt es die Lücke zu füllen, und dazu musste Magda fast jeden Tag herhalten. Es war ja nicht so, dass sein Gemächt keine Freude an diesen Dingen hatte, zumal Magda als Weib was hergab, auch wenn sie ihre Anmut und Selbstsicherheit verloren hatte. Nicht viele Frauen sahen so gut aus wie sie, nicht viele hatten ihre Rundungen genau dort, wo sie hingehörten. Melchior hörte, dass Magda nun doch richtig weinte, aber es rührte ihn noch immer nicht.
»Mein Leben ist verwirkt. Von dem Augenblick an, als sich der Samen meines Vaters zu meiner Frucht entwickelt hat«, heulte sie.
Melchior wandte sich ab. Er hasste diese Litanei, das Selbstmitleid, mit dem sich seine Frau durch den Tag schleppte und sich in ihrer Opferrolle sehr wohl gefiel. »Halts Maul!«, herrschte er sie an. »Du hast gefehlt, dafür wirst du büßen. Dein Leben lang. Du bist mein Weib, und ich kann mit dir tun und lassen, was ich will.«
Magda nickte stumm.
»Du lebst ganz gut bei mir, sei froh, dass ich dich nicht verstoßen habe.« Immerhin waren sie mit die Ersten gewesen, die in der Neustadt ein Haus errichten durften. Auch wenn Krechting allen rasch klargemacht hatte, dass Dudernixen als Lokator nicht infrage kam, so hatte er ihm als Ausgleich doch ein Badehaus bauen lassen, in dem es an nichts fehlte. Es war größer und schöner als das, was er in dieser Einöde erwartet hatte. Badehäuser waren selten geworden, in vielen Orten gab es sie gar nicht mehr. Dudernixen musste strikt darauf achten, dass Männer und Weiber getrennt badeten. Krechting war es aber wichtig, dass die Hygiene in der
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