Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall
Statthalterin der Niederlande und Schwester Kaiser Karls, hat versucht, mit Gräfin Anna eine Einigung zu erreichen.«
Jetzt näherte sich eine Kutsche, und Dr. Westerburg winkte wild. Sie hielt aber nicht, sondern raste an ihnen vorbei.
»Hat Gräfin Anna diese Einigung erreicht?«, hakte Krechting nach. Die Suche nach einer Kutsche war für ihn gerade zweitrangig.
Dr. Westerburg schüttelte den Kopf. »Der Kaiser hat Emden oft gemahnt, und im April dieses Jahres sind die Groninger auf dem Reichstag von Augsburg erneut an ihn herangetreten.«
»Der Kaiser hat ihnen Gehör geschenkt?«, fragte Krechting. Er war in den letzten Monaten so sehr mit den Belangen der Herrlichkeit beschäftigt gewesen, dass ihm dieses wichtige politische Ereignis tatsächlich entgangen war.
»Nun ja, der Kaiser ist nicht erbaut über den Umgang mit der Religion in Emden. Es gibt viele Täufer hier, anderswo sind sie vogelfrey, dazu ist die Stadt reformiert. Das muss dem Kaiser böse aufstoßen.«
Krechting kniff die Lippen fest zusammen. »Er hat alles gekippt?«
»Ja, sowohl die Zoll- als auch die Stapelgerechtigkeit. Aber erst vor ein paar Wochen, am 30. April.«
»Und die Emder halten sich daran?«
Dr. Westerburg begann zu lachen. »Natürlich nicht. Da ist das letzte Wort nicht gesprochen. Noch ist es nicht veröffentlicht, sie wollen erst das ostfriesische Interim abwarten. Ich denke, da wird noch viel Zeit ins Land gehen, und die Groninger werden sich nicht durchsetzen. Niemals werden die Emder weichen.« Dr. Westerburg hatte es endlich geschafft, eine Kutsche heranzuwinken. Zuerst halfen sie der Tochter Westerburgs hinein, die, vom Gespräch gelangweilt, einen mürrischen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte.
Dr. Westerburg ließ die Kutsche zur Burg lenken, dabei konnten sie einen flüchtigen Blick auf die Außenmauern des Franziskanerklosters Faldern werfen. »Wird Zeit, dass die Papisten ganz aus Emden verschwinden. Dieses Haus könnte man hervorragend für die Armenfürsorge als Gasthaus nutzen.«
»Es ist das letzte Kloster in Emden?«, fragte Krechting und reckte bei der Frage seinen Kopf zum Fenster hinaus.
Dr. Westerburg nickte. »Johannes a Lasco hat alle Schätze daraus räumen lassen, das Feiern der katholischen Messe wird schon bald nicht mehr erlaubt sein.«
Krechting war erfreut, wie nachhaltig a Lasco seine Reform umsetzte. Wenn er den Mönchen die Schätze nahm und die Einnahmequellen, weil sie keine Taufen mehr zelebrieren oder keine Testamente ausstellen durften, bluteten sie langfristig aus, zumal a Lasco es nicht duldete, dass neue und jüngere Mönche nachrückten. »Zumindest hat es unter Gräfin Anna keine blutige Jagd auf die Papisten gegeben, wie man es zum Beispiel aus England von den Anglikanern gehört hat«, bestätigte Dr. Westerburg, als habe Krechting laut gedacht. »Blut ist genug geflossen, und dort ist es besonders grausam zugegangen. Leider ist dabei auch ein florierendes Armenwesen zerstört worden.«
Da musste Krechting dem Pfarrer recht geben. So sehr ihm das papistische Getue verhasst war, hier hatte es durchaus Vorteile gegeben. Hebrich von Knyphausen war das bewusst, und deshalb sollte er mit Garbrand zusammenarbeiten.
Kurz darauf kamen sie in den südlichen Teil Emdens, der aus Schutz gegen das Hochwasser mit einer aus Stein befestigten Mauer gesichert war. Das war schon immer so gewesen, während man die anderswo üblichen Erdwälle erst während der Sächsischen Fehde mit Sand- und Backsteinen befestigt hatte. Dazwischen gab es immer wieder Wachtürme. Emden war durchaus eine interessante Stadt, deren Besuch sich lohnte.
Es dauerte nicht lange, bis sie vor der Tür der Emder Burg standen, die sich am südwestlichen Zipfel der Stadt befand. Dort war das Treffen mit dem Superintendenten geplant. Dr. Westerburgs Tochter wurde von ihrer Zofe in das Gemach geführt, das sie für die Dauer ihres Besuchs hier bewohnen sollte. Die Männer wollten sich währenddessen im Saal treffen.
Sie wurden bereits erwartet. Der Bote der Häuptlingswitwe hatte ihr Kommen angekündigt. »Seid gegrüßt, werter Krechting und Dr. Westerburg.« Johannes a Lasco war bei ihrem Erscheinen augenblicklich aufgestanden und schüttelte Krechting die Hand. »Gräfin Anna lässt sich entschuldigen, andere Geschäfte halten sie fern. Aber sie grüßt herzlich und bittet Euch, ihre Gäste zu sein.« Johannes a Lasco wies zu einem großen Tisch, der vor Köstlichkeiten überzuquellen drohte. Gebratene Hähnchen
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