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Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall

Titel: Hiske Aalken 02 - Der Meerkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regine Kölpin
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fast fertiggestellte Siel anlaufen konnten, war viel bequemer und ging erheblich schneller als noch zu der Zeit, als die Herrlichkeit fast ausschließlich mit den flachen und kleineren Knorren angefahren werden konnte. Das neue Siel brachte durchaus viele Vorteile. Die Neustadt würde erblühen, wenn es ganz fertiggestellt war. Wenigstens dieser Teil seiner Vorstellungen würde Wirklichkeit werden.
    Die Sorgen hatten Hinrich in den letzten Jahren zerfressen, es war an der Zeit, den Blick nach vorn zu richten. Wenn Hebrich wollte, dass er sein Amt als Armen- und Kirchenvorstand voll ausfüllte, dann würde er das tun. Seine Visionen der Vergangenheit waren abgelöst worden von einem Erkennen der Wirklichkeit. Für ein Täuferreich gab es auch in der Herrlichkeit Gödens keine Zukunft. Er musste sich damit abfinden, dass es das Neue Jerusalem nicht geben würde. Nie. Diese Erkenntnis war ihm schwerer gefallen als alles andere in seinem bisherigen Leben. Auf der Reise hierher hatte er schließlich beschlossen, sich diesem Schicksal zu ergeben und für sich das Beste daraus zu machen. Er würde seine Position zu nutzen wissen und Hebrich zu Diensten sein, wie er einst Jan van Leyden in Münster ergeben gewesen war.
    Am Hafen an der Ratsdelft, wo die Kraweel angelegt hatte, herrschte rege Betriebsamkeit. An den Ufern befanden sich Packhäuser, in deren Speicher die Waren mittels Winden vom Schiff verladen wurden. Es gab zwei Ecken am Hafen, wo der Unrat sich hoch türmte und von riesigen Fliegenschwärmen umkreist wurde. Der Gestank von Fäulnis, Fäkalien und Vergärung war dort unerträglich und fast schlimmer als er es je auf dem Hof der Burg Gödens gewesen war. Krechting hatte gut daran getan, in der aufblühenden Neustadt für ein geordnetes Abfallsystem zu sorgen. Das zeigte sich immer wieder. Er wollte keine solchen Zustände wie in Hamburg, denn die sanitären Verhältnisse der Stadt galten überall als schlecht. Obwohl es eine Verordnung gab, landete doch ein Großteil der Fäkalien und des Mülls noch auf der Straße und im nächsten Fleet. All das wollte Krechting in der Neustadt verhindern, und er war auf einem guten Weg.
    Das Volk an der Ratsdelft war bunt gemischt. Gut gekleidete Menschen flanierten dort genauso, wie sich in Lumpen gekleidete Gestalten an den Pollern oder in Ecken der Speicherhäuser herumdrückten. Emden selbst schien unter dem Zustrom der vielen Flüchtlinge ähnlich zu leiden und gleichzeitig zu profitieren wie die Herrlichkeit Gödens. Krechting durchzuckte diese Erkenntnis wie ein Blitzschlag. Natürlich waren auch wohlhabende Kaufleute, Reeder und Handwerker in die Stadt gekommen und würden Emden langfristig ein ganz anderes Gesicht geben, aber die meisten hatten ihres Glaubens wegen alles Hab und Gut zurückgelassen und waren auf die Wohltätigkeit der Emder Bürger angewiesen.
    Dr. Westerburg rümpfte die Nase. »Es riecht unangenehm, werter Krechting. Lasst uns eine Kutsche rufen, die uns zu Johannes a Lasco auf die Emder Burg bringt. Er erwartet uns dort.«
    Krechting schrak zusammen, als es hinter ihm krachte. Von einer der Winden hatte sich die Ladung gelöst und war mit einem heftigen Knall zu Boden gegangen. Die Menschen im näheren Umkreis sprangen beiseite, glücklicherweise hatte sich keiner verletzt. Wie ein Haufen Ameisen wuselten nun die Hafenarbeiter um die Ladung, versuchten, sie erneut an die Winde zu hängen.
    »Ein buntes Treiben, Westerburg. So erhoffe ich mir das Leben am Siel in ein paar Jahren auch!«
    Der Pfarrer nickte. »Die Emder haben viel Verhandlungsgeschick. Und sie haben das Stapelrecht. Noch.«
    Krechting sah ihn fragend an. »Noch?«
    »Im Moment ist es so, dass alle Schiffe, die auf der Ems an Emden vorbeifahren, hier die Niederlage halten und ihre Waren für drei Tage den Emder Bürgern zum Kauf anbieten müssen. Ein Erlass von 1494 vom damaligen König Maximilian. Die Groninger haben das lange bekämpft. Und tun es noch. Nun scheint ihr Vorhaben von Erfolg gekrönt.«
    Krechting hörte dem Prediger aufmerksam zu. Von dieser Wendung war ihm noch nichts zu Ohren gekommen.
    Dr. Westerburg hielt Ausschau nach einer Kutsche, was kein leichtes Unterfangen war. Während er den Hals reckte, sprach er weiter. »1541 hat Emden erst die Zollrolle verdoppelt, das Geld wurde immer weniger wert. Aber die Groninger wollten all das nicht hinnehmen, sind sie doch dadurch arg belastet worden. Sie haben sich immer wieder beklagt. Selbst Maria von Ungarn, die

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