Historical 148 - Die Geliebte des Rebellen.doc
fest, die eine Gruppe bildeten und das Tier vor neugierigen Blicken abschirmten.
Als er sich ihr wieder zuwandte, fiel ihm auf, dass AnnaClaire unnatürlich blass war. Er nahm sie bei der Hand und führte sie zielstrebig durch den Wald. Dort, wo die Bäume am dichtesten standen, befand sich eine kleine Hütte. Ohne zu zögern, führte Rory AnnaClaire hinein.
Drinnen war es zunächst zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Doch nachdem Rory in der offenen Feuerstelle einige Holzscheite angezündet hatte, sah AnnaClaire, dass dieser Unterschlupf in seiner bescheidenen Ausstattung ausnehmend gemütlich war. Außer einem grob gezimmerten Tisch und einigen gleichermaßen gefertigten Stühlen gab es noch eine große Schlafstelle, die mit Fellen bedeckt und gepolstert war.
Aus einem ledernen Beutel holte Rory einige Stücke Brot hervor. „Das muss uns genügen, bis ich uns einen Fisch zum Mittagessen gefangen habe."
„Mittagessen?" wiederholte AnnaClaire. „Habt Ihr etwa vor, mich hier festzuhalten?"
Er brach ein Stück Brot. „Was erwartet Ihr denn von mir?"
„Nun, ich erwarte von Euch genug Anstand, dass Ihr mich nach Eurer geglückten Flucht so schnell wie möglich freilasst."
„Freilassen? Wo? Hier im Wald?"
AnnaClaire zuckte ungeduldig die Schultern. „Was weiß ich! Irgendwo. Ich denke, dass irgendjemand in einem der Dörfer, an denen wir vorbeigekommen sind, mich sicher zurück nach Clay Court bringen könnte."
„Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht", versetzte Rory unbeeindruckt von AnnaClaires Unwillen, der deutlich in ihrer Stimme mitschwang. „Es ist auch gut möglich, dass die Leute einen Blick auf ihre hungernden, frierenden Kinder werfen und dann auf Euren Mantel aus bestem Tuch und Euer schönes Kleid. Daraufhin entscheiden sie vielleicht, dass Ihr ihnen tot mehr zu bieten habt als lebendig."
AnnaClaire gab einen verächtlichen Laut von sich. „Ihr wollt doch wohl nicht allen Ernstes behaupten, dass man mich wegen meines Mantels umbringen würde!"
„Doch, das ist durchaus möglich. Vielleicht auch wegen der kostbaren Kämme in Eurem Haar oder des wertvollen Rings an Eurem Finger. Die Leute leiden Hunger, Mylady. Und wenn sie erfahren würden, dass Ihr die Tochter von Lord James Thompson, dem einflussreichen Ratgeber der Königin, seid, würden sie Euch wahrscheinlich schon allein aus diesem Grund töten."
„Wie könnt Ihr so etwas Abscheuliches behaupten?" entrüstete sich AnnaClaire. „Meine Mutter war schließlich Margaret Doyle aus Dublin, eine von ihnen. Sie gehörte hierher."
„Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein armer Bauer, dessen Ernte von den englischen Soldaten mutwillig zerstört wurde, davon beeindruckt wäre. Auch den Männern, deren Töchtern und Frauen unaussprechliche Gewalt von den englischen Horden angetan wurde, wäre Eure Herkunft mütterlicherseits herzlich egal. Für diese Menschen würde nur zählen, dass Euer Vater ein Freund der Königin ist, in deren Namen Irland ausgeblutet wird."
Mit wachsendem Entsetzen hatte AnnaClaire seinen Worten gelauscht. In ihrer Phantasie sah sie Bilder zu Rorys Schilderungen, und dieses Grauen zusammen mit ihrer grenzenlosen Erschöpfung führte dazu, dass sie ihre Selbstbeherrschung verlor. Tränen rannen ihr über die Wangen, und unter heftigen Schluchzern wollte sie wissen: „Seid Ihr deshalb so geworden wie die Männer, die Ihr so abgrundtief hasst?"
„Glaubt Ihr das wirklich von mir?" Rory schüttelte den Kopf. „Traut Ihr mir zu, dass ich jemals eine Frau gegen ihren Willen nehmen würde? Ich kann Euch versichern, Mylady, dass Eure Tugend bei mir bestens aufgehoben ist. Ich bin nicht so wie die englischen Bastarde, die Frauen Gewalt antun, plündern und brandschatzen. Aber wenn ich bei meinem Kampf einige unschuldige Soldaten töten muss, kann ich es auch nicht ändern. In diesem Fall bin ich dann ähnlich denen, die ich verachte. Denn es musste endlich jemand den Mut aufbringen und den Engländern zu verstehen geben, dass wir Iren genug haben von der Unterdrückung."
Rory versank in Gedanken an die Vergangenheit. Seine Gesichtszüge wirkten wie versteinert, als er fortfuhr: „Ich erreichte diesen Punkt nach dem Mord an einer jungen Frau, die auf dem Weg zu ihrer Hochzeit war." Seine Stimme zitterte verdächtig, doch nur für einen Moment. Dann sprach er leise weiter. „Und dem Mord an ihrer ge samten Familie. Andere Menschen verloren die Mutter, den Vater, Söhne oder Töchter, die wie Vieh abgeschlachtet
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