HISTORICAL Band 0264
Heiligen Abend zusammenfinden würde. Dennoch erstrahlte das prächtige Gebäude wie gewöhnlich im hellsten Licht. Lord Haverbrook hatte versprochen, Miss Duncan später nach Hause fahren zu lassen, und deshalb schickte sie Robbie zum Familienfest der MacNabs. Von dort sollte er mit Mrs. Brown zurückkehren.
Der Butler begrüßte Miss Duncan mit der ihm eigenen Würde und half ihr aus dem Plaid. Ihr fiel auf, dass in dem Jagdschloss für eine kleine Soirée viel zu hektische Betriebsamkeit herrschte. Im Salon unterhielten sich die Gäste ziemlich laut und lachten aus vollem Halse. Wahrscheinlich hatten die meisten schon einige Glas Punsch getrunken.
Blair blieb auf der Schwelle stehen und wartete darauf, dass der Butler ihr Eintreffen meldete. „Ja, ich habe Cameron den Rat gegeben“, hörte sie Lord Haverbrook zu einem Gentleman sagen, „sich dieses schillernde Persönchen einzufangen. Mir scheint, meine Worte haben den Zweck nicht verfehlt. Die junge Dame ist bereits so gut wie sein. Ich kann es verstehen, dass er es kaum erwarten kann, sie uns zu präsentieren. Was ist denn, Thompson?“
„Miss Duncan ist gekommen, Mylord“, antwortete der Butler.
Blair tobte innerlich vor Zorn. Es stimmte also! Lord Haverbrooks Äußerung war Beweis genug. Cameron hatte in London eine Geliebte, und alle wussten es, nur Blair nicht! Wie konnte er es wagen, sie so zu täuschen und ihr von Liebe zu sprechen? Meinte er, sie sei gut genug, ihm während der kurzen Besuche in Glenmuir die Zeit zu vertreiben? Eigentlich hätte sie nicht überrascht sein dürfen. Schon in frühester Jugend war ihm diese arrogante Einstellung zu eigen gewesen! Mochte er noch so viel für die Leute in den Highlands tun, Blair war es gleich. Sie würde auch in Zukunft allein schlafen. Ihre Ehre war kein Ausgleich für seine Nächstenliebe!
„Ah, wir haben Sie erwartet, Madam“, sagte Lord Haverbrook, zwinkerte seinem Gesprächspartner mit Verschwörermiene zu und geleitete Miss Duncan zu den anderen Anwesenden. „Wir hatten keine Ahnung, wann der Gottesdienst zu Ende ist. Deshalb konnte ich Sie nicht mehr davon in Kenntnis setzen, dass ich meine Pläne für heute Abend geändert habe.“
„Geändert?“, wiederholte Blair erstaunt. Es fiel ihr schwer, den Zorn auf Lord Lindsay zu unterdrücken.
„Ja, ich bedauere, aber es hat sich etwas ergeben, das es Fairfax, Enright und mir unmöglich macht zu bleiben. Aber wir haben Zeit, auf Weihnachten mit einem Gläschen anzustoßen, ehe wir uns verabschieden müssen. Miss Duncan, gestatten Sie mir, Ihnen ein fröhliches Fest zu wünschen!“
„Was ist denn geschehen, Sir, das Ihnen den Heiligen Abend so verdirbt?“, fragte Miss Duncan und ließ sich ein Glas Champagner geben. „Ich hoffe, es ist nichts Schlimmes.“
„Nein, Madam. Im Gegenteil, es ist gut, dass die Angelegenheit endlich ins Reine kommt. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte. Wir Männer müssen nun tun, was die Pflicht uns gebietet.“
Unversehens sah Blair sich der langweiligen Gesellschaft der Comtess of Haverbrook und der Gattinnen von Lord Fairfax und Mr. Enright überlassen. Die Gentlemen standen in der entfernten Ecke des Salons und unterhielten sich in gedämpftem Ton. Blair gab vor, sich den Weihnachtsbaum ansehen zu wollen, und näherte sich neugierig den Herren. So konnte sie Bruchstücke der Diskussion aufschnappen. Es ging um Munition und Tarnung und dass man sich versteckt halten müsste. Sonderbar, aber die Männer hatten offenbar vor, am Heiligen Abend zur Jagd zu gehen. Kein Wunder, dass ihre Gattinnen so verstimmt waren. Plötzlich fielen Worte, die Blairs Herzschlag beinahe aussetzen ließen.
„… zu dieser verfallenen Jagdhütte, wo er seinen Schlupfwinkel hat und das Diebesgut versteckt hält. Heute Nacht werden wir ihn …“
Großer Gott, man hatte den Platz gefunden, der dem Räuber als Schlupfwinkel diente. Falls Lord Lindsay wirklich mit dem Dieb identisch war, befand er sich in höchster Gefahr. Blairs Gedanken überstürzten sich. Sie sah ihn tot oder zumindest verletzt, festgenommen und ins Gefängnis geschleppt. Ausgelöscht war aller Zorn, den sie noch vor einem Augenblick empfunden hatte. Selbst wenn Cameron sie und ihre Liebe verraten haben mochte, verdiente er dennoch nicht den Tod. Sie musste ihn warnen, so schnell sie konnte.
Lady Haverbrook nahm bereitwillig Blairs Entschuldigung, sie habe Kopfschmerzen an, und machte keinen Versuch, Miss Duncan zurückzuhalten. Nur der Earl bedauerte
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