HISTORICAL Band 0264
erklären Sie sich dann, was zwischen uns vorgefallen ist?“
Sie rutschte ein wenig auf ihrem Stuhl hin und her und zuckte die Achseln. „Ach, das war … wie nennt man so etwas? Körperliche Anziehungskraft?“
„Sinneslust?“, schlug Jack vor.
„Sinneslust. Ja, wahrscheinlich.“ Wieder strich sie mit den Fingern über den Stiel ihres Champagnerglases, und dieses Mal war es Jack, der auf seinem Stuhl hin und her rutschte. „Wie ich hörte“, fuhr Sally fort, „sind Sie der Liebe auch eher abgeneigt, Mr. Kestrel.“ Sie schenkte ihm ein leichtes Lächeln.
Jack zog die Brauen hoch. „Ich merke, jemand hat über mich geplaudert.“ Das überraschte ihn nicht weiter. Jeder in London schien über ihn zu reden, er fragte sich nur, was genau man sich über ihn erzählte.
Sally lächelte. „Ein Mann wie Sie ist so etwas doch sicher gewohnt.“
„Ein Mann wie ich?“ Er sah sie herausfordernd an. „Wie meinen Sie das?“
Seine Direktheit schien sie nicht aus der Fassung zu bringen, aber sie ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. „Ein Mann, der vermögend und einflussreich ist und bei Geschäften und den Frauen Erfolg hat, nehme ich an.“
Jack lachte. „Für so einen Mann halten Sie mich?“
„Stimmt es denn nicht?“
In diesem Augenblick servierte der Kellner ihnen den Spargel auf einer silbernen Platte. Das ersparte Jack eine Antwort. Er hatte nicht vor, mit Sally Bowes über längst vergangene Affären zu reden, er interessierte sich nur für das, was vor ihnen lag. Und über seine unglückliche Liebe und seine Beziehung mit Merle sprach er niemals. Mit niemandem.
Er ertappte sich dabei, dass er Sally gern nach ihrer Ehe gefragt hätte, aber er spürte, dass es dafür noch zu früh war; sie würde ihm eine Abfuhr erteilen. Sie hielt ihn ganz bewusst auf Distanz, auch wenn er nicht beabsichtigte, diesen Zustand für den Rest des Abends beizubehalten. Er glaubte vielleicht nicht an die Liebe, aber an körperliche Anziehungskraft glaubte er unbedingt, und die würde ihre Erfüllung finden. Er beobachtete sie, wie sie eine Stange aufspießte, sie in geschmolzene Butter tauchte und mit sichtlichem Genuss verzehrte.
„Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich für uns beide bestellt habe“, sagte sie, „aber ich weiß nun einmal, was aus unserer Küche am besten schmeckt.“
Jack neigte den Kopf nachdenklich zur Seite. „Also halten Sie mich auch für einen Mann, der es einer Frau gestattet, die Führung zu übernehmen?“
Ihre Blicke trafen sich. Abwesend leckte Sally Butter von ihrem Finger, und sofort durchzuckte Jack wieder Begehren. Vielleicht sollten sie doch lieber wieder über Politik reden. Im Allgemeinen brachte dieses Thema jegliche Lust zum Erliegen, andererseits kam es ihm so vor, als könnte mit Sally Bowes jedes Gesprächsthema plötzlich unkontrollierbares Verlangen in ihm auslösen. Bis jetzt war es ihm gelungen, es im Zaum zu halten, aber es fiel ihm höllisch schwer.
„Ich bezweifle, dass Sie ein Mann sind, der gern die Führung abgibt“, antwortete sie nach einer Weile. „Die Art, wie Sie sich vorhin verhalten haben, lässt nicht unbedingt auf ein … nachgiebiges Naturell schließen.“
Jack verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Ich glaube, Sie durchschauen mich recht gut, Miss Bowes.“
„Das glaube ich auch“, gab sie gelassen zurück.
Ihre Kühle, ihre Offenheit und ihre Selbstsicherheit trieben seinen Blutdruck noch weiter in die Höhe. Plötzlich kam ihm der Speisesaal außergewöhnlich warm vor. „Und Sie wollen mich nicht fragen, was ich meinerseits über Sie denke?“, fragte er.
Wieder formte sich das Grübchen auf ihrer Wange, als sie lächelte.„Nein, wohl kaum. Wissen Sie, ich bin selbstbewusst genug und deshalb nicht auf Ihre Billigung angewiesen. Auch nicht auf Ihre Kritik.“ Ihr Tonfall änderte sich. „Die höre ich oft genug von anderen Seiten.“
Jack warf ihr einen fragenden Blick zu. „Wegen der Politik?“
„Und wegen vieler anderer Dinge.“ Sally machte eine wegwerfende Handbewegung. „Eine alleinstehende Frau, die einen Club wie diesen betreibt? Noch dazu eine Witwe?“ Sie sah ihm in die Augen. „Mr. Kestrel, Ihnen ist vielleicht nicht bekannt, dass ich bereits die Scheidung eingereicht hatte, als mein Mann plötzlich starb. Die Polizei wurde gerufen, um sicherzugehen, dass ich ihn nicht ermordet hatte, um mir die Kosten und die Schande einer Scheidung zu ersparen. Skandalträchtiger kann man wohl kaum
Weitere Kostenlose Bücher