HISTORICAL Band 0264
Verführung.
„Hätten Sie gern noch einen Kaffee, Mr. Kestrel?“ Sally nahm den letzten Bissen von ihrem Dessert und legte ihren Löffel ab. Auf ihrer Wange war etwas Creme. „Brandy? Zigarren?“
„Nein, vielen Dank.“ Inzwischen war er voll und ganz auf Sally konzentriert und wollte sich nicht mit Alkohol oder Zigarren aufhalten. Er streckte die Hand aus und wischte ihr sanft die Creme von der Wange. Sie fühlte sich unglaublich weich an. Am liebsten hätte er ihr die Hand ganz auf die Wange gelegt, um diese Weichheit noch deutlicher zu spüren. Die Heftigkeit dieses Bedürfnisses erschreckte ihn. Sein Verlangen nach ihr ließ sich kaum noch unterdrücken. Flüchtig fragte er sich, was nur mit ihm los war. So wurde dieses Spiel normalerweise nicht gespielt.
„Sie hatten etwas Creme auf der Wange“, erklärte er ein wenig heiser.
„Ach!“ Eine Sekunde lang sah Sally hinreißend verwirrt und verwundbar aus. Dann wich sie mit einem misstrauischen Augenausdruck zurück, doch er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.
„Ich würde mir gern die Gartenanlagen von Ihnen zeigen lassen“, sagte er. „Wollen wir nach draußen gehen?“
Die Anspannung zwischen ihnen wurde fast greifbar. Sally biss sich auf die Unterlippe. „Mr. Kestrel, das wäre wirklich keine gute Idee.“
Jack fand, es war die beste Idee, die er seit langer Zeit gehabt hatte. Eine dunkle Laube finden, Sally im Arm halten und sie wieder küssen … „Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie nur dann berühre, wenn Sie mir die Erlaubnis geben“, sagte er und wusste genau, dass das gelogen war.
Er sah die Unentschlossenheit in ihrem Blick und spürte ihre innere Zerrissenheit. Sie wusste ebenso gut wie er, was geschehen würde, sobald sie allein im Dunklen waren, und obwohl sie nicht abgeneigt war, so war sie doch auch misstrauisch. Er nahm ihre Hand, strich mit dem Daumen leicht über den Handrücken und merkte, dass sie etwas zitterte.
„Ich habe gehört, der Garten sei nach dem Vorbild des Moulin Rouge angelegt“, sagte er, „und dass Sie die Pläne selbst entworfen haben. Ich würde ihn wirklich gern sehen.“
Sally lachte widerstrebend, und die Spannung lockerte sich ein wenig. „Wir haben zwar keine Elefantenattrappe und auch kein falsches gotisches Schloss, aber die Anlagen sind trotzdem sehr hübsch.“
„Dann zeigen Sie sie mir …“
Er hielt den Atem an, aber nach einer Weile nickte sie. Ihre Miene war verschlossen. „Also gut.“
Sie verließen den Speisesaal und gingen den mit rotem Teppich ausgelegten Flur entlang bis zu den großen Türen, die hinaus zum Garten führten. Er beobachtete verstohlen ihre geschmeidigen Bewegungen und spürte sofort, wie sein Körper darauf reagierte. Noch nie in seinem Leben hatte er ein so machtvolles und besitzergreifendes Verlangen nach einer Frau empfunden. Wenn er mit ihr schlafen konnte, nur ein einziges Mal, so würde sich dieser Hunger gewiss legen, der seine ganze Selbstbeherrschung ins Wanken brachte. Sie waren beide erfahrene, weltoffene Menschen. Sally kannte die Regeln genauso gut wie er und würde sich der Leidenschaft bestimmt ganz ohne falsche Scham hingeben. Er vergrub die Hände in den Jackentaschen und unterdrückte verbissen den wahnsinnigen Impuls, sie gleich hier an Ort und Stelle zu nehmen.
Draußen im Garten führte der Pfad zwischen Rosensträuchern hindurch, die mit sanft im Sommerwind schwingenden Papierlampions geschmückt waren. Obwohl die Nacht warm war, erschauerte Sally.
„Ihnen ist kalt“, stellte Jack fest. Er zog sein Jackett aus und hängte es ihr über die Schultern.
„Nein, ich …“ Sally zog die Jacke fester um sich. Im Lichtschein der Lampions wirkten ihre Augen übergroß und dunkel. „Ich finde, wir sollten wieder hineingehen.“ Ihre Stimme klang zögernd, als spürte sie instinktiv das Ausmaß seines Verlangens. „Es war ein Fehler. Außerdem ist Connie mittlerweile vielleicht zurückgekommen und …“
„Zur Hölle mit Connie.“ Die plötzliche Erinnerung an diese Frau machte ihn zornig, und sein Tonfall war grober als beabsichtigt. Jack legte eine Hand auf Sallys Arm. „Ich möchte nicht über sie sprechen. Eigentlich möchte ich überhaupt nicht sprechen. Sally?“
Sie hob den Kopf und sah ihn fragend an, und genau das hatte er gewollt. Ihr warmer Atem streifte sein Gesicht wie eine zarte Liebkosung, und er konnte ihr Parfum wahrnehmen, das so leicht und duftend war wie die Sommerblumen, die sie umgaben.
Er senkte den Kopf
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