HISTORICAL Band 0264
schneidenden Tonfall seiner Großtante, die nach ihrem Lieblingsfrühstück Kedgeree verlangte und klagte, der Kaffee schmeckte nicht.
„Guten Morgen, Neffe“, sagte sie streng, als Jack zur Tür hereinkam. „Spät wie immer.“ Sie ließ den Blick von ihm zu Sallys sittsam geneigten Kopf wandern. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“
„Besser denn je“, log Jack. Er lächelte Charley und Stephen zur Begrüßung zu, brachte für Gregory Holt ein höfliches Nicken zustande und ging dann zu Sally und gab ihr einen Handkuss. Zu seiner Befriedigung errötete sie leicht und warf ihm einen raschen Blick zu. Erstaunlicherweise wirkte sie scheu, und das weckte Jacks Beschützerinstinkt. Er suchte Zuflucht in seinem gewohnten Zynismus. Sie konnte nichts anderes sein als eine äußerst begabte Schauspielerin, wie er schon immer vermutet hatte.
„Guten Morgen, Liebste“, wünschte er und sah, dass – wenn schon nicht Sally – Lady Ottoline anerkennend lächelte.
Sally war an diesem Tag sehr schlicht gekleidet; sie trug eine blaue Bluse und einen farblich dazu passenden Rock, und wenn sie so schlecht geschlafen hatte wie er, so war ihr das ganz gewiss nicht anzumerken. Sie sah frisch aus und in Jacks Augen außerordentlich hübsch.
„Miss Bowes hat mir gesagt, dass ihr heute in einer dringenden Angelegenheit abreisen wollt.“ Lady Ottolines Lächeln erstarb und wich tiefer Missbilligung. „Das gefällt mir gar nicht. Genauer gesagt, ich verbiete es euch, Neffe! Heute Abend findet meine Geburtstagsgesellschaft statt, und wenn mein eigener Neffe und seine Verlobte nicht dabei sind, ist das ein trauriger Tag für die Familie. Wie es aussieht, können weder dein Vater noch Buffy sich zu uns gesellen, was ich für einen beklagenswerten Mangel an Respekt halte. Der Junge verdient nicht, ein Duke zu sein.“
Eine Antwort blieb Jack erspart, weil jemand plötzlich laut an die Haustür klopfte. Patterson, der Butler, der das Auftragen des Frühstücks überwacht hatte, eilte mit ungehaltener Miene hinaus und ordnete im Laufen den Sitz seiner Livree. Von Besuchern erwartete man keine so schlechten Manieren, um zehn Uhr zu erscheinen, wenn die Familie noch beim Frühstück saß. Das war der Gipfel der Unhöflichkeit.
Es wurde unruhig in der Halle; die Stimme des Butlers hob sich überrascht, weiteres Stimmengewirr folgte. Jack sah Charley fragend an. Sie stand auf und verließ mit Stephen den Raum.
„Geh lieber gleich auch mit, Jack“, sagte Lady Ottoline gereizt und stocherte mit dem Messer in der Limonenmarmelade. „Es wäre doch schrecklich, wenn einer von euch gute Manieren an den Tag legte und bei mir am Tisch bliebe.“
„Das klingt nach Connies Stimme“, stellte Sally plötzlich nervös fest. Sie legte ihre Serviette ab. „Entschuldigen Sie mich, Lady Ottoline.“
Jack folgte ihr in die Halle. Die vertraute elegante Gestalt seines Cousins kam bereits auf ihn zu. In seiner Begleitung befand sich eine äußerst modisch gekleidete Frau in einem kirschroten Kostüm und mit einem breitkrempigen Hut, der ihr Porzellanpuppengesicht überschattete. Sie sprach mit heller, etwas schleppender Stimme auf einen der unglücklichen Lakaien ein, der versuchte, schiere Berge von Gepäckstücken ins Haus zu tragen.
„Vorsicht mit der Schachtel da, Sie Tölpel! Nein, halten Sie sie nicht so, Sie zerquetschen ja noch meinen Hut! Und Vorsicht mit dem kleinen Dackel, Herman. Er verträgt keine Fahrten im Automobil und könnte sich übergeben …“
„Connie!“ Sally gestikulierte hilflos mit den Händen. „Was machst du hier? Wo warst du?“ Sie warf Jack einen Blick zu. „Wir dachten …“
„Sally, Liebling!“ Eingehüllt in eine Parfümwolke, schwebte Connie auf sie zu. „Wie lustig, dich hier anzutreffen! Wir haben dich gestern im Club gesucht, aber Matty meinte, du seist mit Mr. Kestrel fortgefahren.“ Ihre perfekt gezupften Augenbrauen hoben sich, als sie Sally fragend ansah. „Ich fand das höchst seltsam, da ich dachte, ihr kennt euch kaum.“ Sie schmollte. „Es war wirklich sehr gedankenlos von dir, nicht da zu sein und uns zu begrüßen, wo wir doch gerade geheiratet hatten und dir die gute Neuigkeit unbedingt überbringen wollten!“
„Es tut mir leid, dass ich euch verpasst habe“, sagte Sally höflich.
Connie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Nicht so schlimm. Wir haben stattdessen Nell gesehen, und sie hat sich sehr für uns gefreut.“ Sie runzelte die Stirn. „Sie war im Club.
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