HISTORICAL Band 0272
darauf an. „Grimstone, in London droht uns keine Gefahr. Was sollte schon passieren? Prinz A… die Person, die uns etwas antun könnte, ist möglicherweise gar nicht mehr am Leben.“
„Aber seine Spitzel, Ma’am“, betonte der Butler. „Diese Nachricht ist soeben von meinem Herrn eingetroffen, Ma’am.“
„Mr. Ryder?“ Eva griff nach dem Brief auf dem Silbertablett, noch bevor sie sich fassen und eine gleichmütige Miene aufsetzen konnte. Sie brach das Siegel und überflog die wenigen Zeilen des Schreibens. Sie waren in Eile hingekritzelt, was eigentlich nicht zu Jacks gelassenem und umsichtigen Wesen passte. Oder handelte es sich um Lord Sebastians Handschrift?, fragte sie sich. Die Nachricht lautete: „Die Truppenverbände sind mit A’s Leichnam nach Maubourg zurückgekehrt. Von einer Kugel in den Rücken getroffen. Aus nächster Nähe. P’s Zustand verbessert sich mit jedem Tag. Zeigen Sie Grimstone diese Zeilen. Es ist davon auszugehen, dass A’s Spione noch nichts von seinem Tod erfahren haben.“
Die wenigen Zeilen war mit einem kühn geschwungenen J. signiert.
Wortlos reichte Eva dem Butler den Brief, der ihn aufmerksam las und ihn ihr wieder zurückgab. „Offenbar von den eigenen Leuten erschossen“, murmelte er. „Die Soldaten wollten wohl nicht als Verräter dastehen, nach allem, was geschehen ist. Handelt es sich bei P. um den Regenten, Ma’am?“
„Ja, mein Schwager Prinz Philippe.“ Eva faltete das Blatt und steckte es in ihr Retikül. Das Einzige, was ihr von Jack geblieben war. „Ich werde Master Freddie die gute Nachricht überbringen.“
Master Freddie, wie die Dienstboten ihn nannten, hielt sich an seinem Lieblingsort auf, in der Küche, und luchste der Köchin Süßigkeiten ab. Eva versuchte, ihn sich in der Burg von Maubourg vorzustellen, was ihr nicht schwerfiel. Innerhalb einer Woche wäre er der erklärte Liebling der gesamten Dienerschaft, die Küchenmädchen würden ihn verhätscheln, die Lakaien ihm jeden Wunsch von den Augen ablesen und alle alten Spielsachen für ihn zusammensuchen. Und zweifellos würde er den Burgbewohnern Kricket beibringen.
„Freddie, gute Nachrichten aus Maubourg. Onkel Philippe ist auf dem Wege der Besserung.“
„Dann können wir bald nach Hause fahren, nicht wahr?“ Er kletterte vom Tisch, den Mund mit Himbeermarmelade verschmiert.
„Sobald das Außenministerium uns mitteilt, dass wir gefahrlos reisen können. Wollen wir deinem Onkel einen Brief schreiben?“
Diesem Brief folgte eine Anfrage an das Außenministerium, wann es möglich wäre, eine Reise nach Maubourg anzutreten. Ihre Bitte blieb zunächst unbeantwortet, allerdings folgte ihr eben diese Flut von Einladungen. Die erste und bedeutsamste kam vom Regenten, dem Prince of Wales. Er war Freddies Taufpate, und er gab in der Einladung zu verstehen, dass er sich glücklich schätzen würde, sie in zwei Tagen zu einem Empfang ihr zu Ehren begrüßen zu dürfen, und zwar im Calton House.
„Ach, du meine Güte“, lamentierte Eva und wandte sich ratlos an Fettersham. „Ich fürchte, das bedeutet Straußenfedern, nicht wahr?“
„Ja, Ma’am.“ Die Zofe geriet in höchste Aufregung bei dem Gedanken an eine Abendrobe für die Einladung bei Hofe. „Reifröcke sind ja leider aus der Mode“, fügte sie mit leiser Enttäuschung hinzu. „Aber das große Abendensemble, das Sie gestern in Auftrag gaben, dürfte genau passend für diesen Anlass sein.“
„Gottlob, keine Reifröcke! Es ist schwierig genug, mit all diesen hinderlichen Federn in der Frisur herumzulaufen, ohne auch noch darauf achten zu müssen, mit diesen ausladenden Krinolinen bei jedem Schritt möglicherweise einen Tisch umzuwerfen!“
Die Lieferung der Robe traf am Morgen des festlichen Empfangs ein, zusammen mit eiligst nachbestellten Straußenfedern. „Du liebe Zeit, auch der Schnürleib ist nicht mehr in Mode, denn die Taille ist nach oben gerutscht“, klagte Eva, als Fettersham ihr beim Ankleiden half. Das Gewand aus Seide war mit einem Bund unter dem Busen gehalten, überspielte die Taille, schmiegte sich aber dennoch an ihre schlanke Figur. „Ich weiß gar nicht, wie ich meinen Busen darin unterbringen soll.“
„Das ist ja wohl Absicht, Ma’am“, erklärte die Zofe und zog die kurzen Puffärmel an Evas Schultern hoch. „Ein Glück, dass Sie elegante, gerade Schultern haben, sonst wüsste ich mir keinen Rat, wie diese neue Mode nicht verrutschen sollte.“
Die beiden Frauen traten an den hohen
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