HISTORICAL Band 0272
fragte er und deutete auf die Flasche, die sie in der Hand hielt.
Sie hielt sie hoch und blickte auf die klare bernsteinfarbene Flüssigkeit, die ihn in den letzten Tagen von seinen Sorgen erlöst und ihm Schlaf gebracht hatte.
Offensichtlich hatte sie damit die meisten seiner Schmerzen heilen können. Es schien ihm gut genug zu gehen, um mit ihr zu streiten. Doch nach allem, was sie für ihn getan hatte, würde sie sich das nicht gefallen lassen. Die drei Tage, die sie an seinem Bett verbracht hatte, machten sich jetzt bemerkbar: Susanna handelte, ohne nachzudenken. Ohne zu zögern zog sie den Korken aus der Flasche und nahm einen Schluck. Sie wagte nicht zu atmen, so sehr brannte die Flüssigkeit in ihrem Hals. Dann trat sie an sein Bett und platzierte die Flasche auf seinem Nachttisch, bevor sie das Zimmer verließ. „Hier. Der Rest ist für dich. Vielleicht hebt das deine Laune. Ich gehe.“
„Warte!“, rief er. „Wo …?“
Sie hörte aber nicht auf ihn, sondern lief stattdessen durch ihr Ankleidezimmer in das Badezimmer. Das Wasser, das vorgestern für sie gebracht worden war, war zwar kalt geworden, aber das war ihr egal. Sie streifte die Bluse ab, zog den Rock aus und zerrte sich die Strümpfe von den Füßen. Dann ließ sie sich müde in die gefüllte Wanne fallen. Leise schrie sie auf. Himmel, ist das kalt!
Susanna tauchte ihren Kopf in das Wasser und fischte die verbliebenen Haarnadeln aus ihren Haaren. Sie hatte sich schon lange nicht mehr so schmutzig, so verwahrlost und hässlich gefühlt wie in diesem Augenblick. Nicht mehr, seit sie als kleines Mädchen mit sechs Jahren ausgerutscht und in die Gosse gefallen war. Selbst die Bettler vor dem Hotel waren sauberer als sie. Neben der Wanne lag ein Stück Kamillenseife. In wenigen Augenblicken hatte sich Susanna vom Kopf bis zu den Zehen damit eingerieben.
Sie hörte, dass James noch immer nach ihr rief. Er klang richtiggehend aufgebracht. Aber jemand, der noch so schreien konnte, war sicher nicht im Begriff zu sterben.
„Undankbares Scheusal“, murmelte sie, während sie den Schaum beiseite wischte, um ihre Haare im Wasser auszuwaschen. Erst als sie sich wieder sauber fühlte, verließ sie die Wanne. Wie schön wäre jetzt ein vorgewärmtes Handtuch gewesen … Eine Zofe, die einem beim Anziehen half … Aber das war wohl für immer vorbei. Ihr Vater hatte sich geweigert, eine Kammerzofe für sie einzustellen, als sie hierhergekommen waren. Und Susanna bezweifelte, dass sie dort, wo sie leben würde, eine geeignete Zofe finden würde.
„Du willst eine unabhängige Frau sein?“, hatte ihr Vater vor der Abreise nach Edinburgh spöttisch gefragt. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob du wirklich allein zurechtkommst.“ Natürlich hatte er auch seinen eigenen Kammerdiener nicht mitgebracht, wohl, um ihr zu beweisen, dass Männer von Natur aus stärker und selbstgenügsamer waren. Nun, der arme alte Barnes wäre gesundheitlich nicht in der Lage gewesen, ihren Vater zu begleiten. Minette, ihre Zofe, dagegen, hatte gleich nachdem Susanna gesellschaftlich in Ungnade gefallen war, eine Stelle bei Lady Bloom angenommen.
„Als ob mir das etwas ausmacht“, murmelte sie. „Es ist hundert Mal einfacher, für sich selbst zu sorgen, als sich um diesen Schotten zu kümmern.“
„Wirklich?“
Susanna schreckte zusammen. Sie drehte ihren Kopf so schnell herum, dass eine Wasserkaskade von den Spitzen ihrer langen nassen Haare durch das Zimmer schoss. „Was machst du hier?“, fragte sie peinlich berührt und griff nach einem Handtuch, das sie vor ihren Körper hielt. „Verschwinde!“
James stand auf einem Bein und stützte sich gegen den Türrahmen. „Entschuldige die Störung!“, meinte er, während er sie von oben bis unten musterte. Es klang so unaufrichtig, wie es gemeint war.
„Verschwinde sofort aus diesem Zimmer.“
Mit einer Schulter machte der Highlander eine nonchalante Bewegung. „Du hast mich doch auch gesehen, wie Gott mich schuf, oder? Ich finde, das ist nur fair.“ Er hielt inne und starrte sie an.
Susanna war so empört, dass es ihr die Sprache verschlug. Sie wickelte sich in das Handtuch und wandte sich von ihm ab.
Er verlagerte vorsichtig sein Gewicht und versuchte, das verwundete Bein zu entlasten. „Ich hatte Angst“, meinte er in ernsthafterem Ton. „Du hast aufgebracht gewirkt.“
„Ich? Ich habe aufgebracht gewirkt?“ Sie drehte sich zur Tür hin um.
„Ich dachte es zumindest. So wie du den Whisky
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