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HISTORICAL Band 0272

HISTORICAL Band 0272

Titel: HISTORICAL Band 0272 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LYN STONE LOUISE ALLEN
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nächtlichen Ritt ebenso erschöpft wie Susanna. Im nächstgelegenen Hafen suchten beide einen Teesalon auf, der halbwegs respektabel wirkte, und er bat sie, dort mit ihren Habseligkeiten auf ihn zu warten, während er die Pferde im Stall unterbrachte und sich danach umhörte, welches Schiff als nächstes auslaufen und Passagiere an Bord nehmen würde.
    Als er eine Viertelstunde später zurückkam, lag Susanna in tiefem Schlaf auf dem Zweiersofa, auf dem er sie zurückgelassen hatte. Ihre Taschen hatte sie in der linken Ecke der Bank aufgeschichtet und benutzte sie als Kopfkissen. Unberührt stand das bestellte Teetablett vor ihr. Der Tee in der Kanne war mittlerweile erkaltet. James trank gemächlich von dem bitteren Gebräu, während er auf die Abfahrt des Schiffes wartete und sie schlief.
    Mit geschlossenen Augen sah sie kindlich und unschuldig aus. Viel zu unschuldig, um in dieser tödlichen Intrige eine Rolle zu spielen. Doch trotz ihrer Zartheit ist sie eine Heldin, dachte er voller Stolz.
    Er hatte während des langen Ritts Muße gehabt, darüber nachzugrübeln, ob er seine Frau wohl bislang falsch eingeschätzt hatte. Susanna mochte ihn. Das war ihm erst während des Ritts richtig bewusst geworden. Obwohl sie sich erst so kurz kannten, schien sie ihn mehr zu lieben, als seine Mutter das jemals getan hatte. Sie hatte ihr Eheversprechen eingelöst. Sie hatte sich ihm hingegeben.
    Was, wenn er ihr gestehen würde, dass er sie liebte, wenn er ihr sagen würde, dass er sich wünschte, sie würde seine Liebe erwidern? Würde sie dieses Bekenntnis ausnutzen? Nachdenklich blickte er sie an. Mittlerweile war er sich dessen nicht mehr sicher.
    Seine Mutter hingegen hatte versucht, alle zu manipulieren, die ihr nahestanden. Und weil er selbst seine Mutter geliebt hatte und sich gewünscht hatte, wiedergeliebt zu werden, hatte er sich verändert. Drastisch verändert. Seine Mutter hatte seinen Vater kaum geachtet, sodass James versucht hatte, ihm so wenig ähnlich wie möglich zu werden. Er hatte den Drang in sich unterdrückt, zu malen oder Skulpturen zu formen. Er hatte all seine Kraft darauf verwendet, männlicheren Beschäftigungen nachzugehen. Diese Anstrengungen hatten ebenso viel innere Stärke benötigt wie geistige Kreativität.
    Und seine Mutter hatte das nicht einmal bemerkt. Immerhin hatte ihn das davor bewahrt, sich sein Leben lang in ein Atelier einzuschließen und sich in permanenter Selbstbetrachtung zu üben.
    Sei es wie es sei, schwor sich James und strich liebevoll über Susannas rotgoldene Locken. Ich werde kein anderer werden, auch wenn Susanna sich einen eleganteren oder kultivierteren Ehemann erträumt. Nein, er würde nicht zulassen, dass irgendeine Frau, wie starrköpfig sie auch immer sein mochte, ihn zu dem machte, was sein Vater geworden war – ein gebrochener, willenloser Mann. Ein Mann, der sein ganzes Vermögen, seine ganze Persönlichkeit aufgegeben hatte, nur um einer Frau zu gefallen.
    Er sah auf seine Taschenuhr und seufzte. Dies war nicht der richtige Moment, um zu grübeln. Ihrer beider Sicherheit zu gewährleisten war jetzt die Maxime. Und bald ging ihr Boot.

17. KAPITEL
    Susanna schreckte hoch, als James sie schüttelte. Einen Augenblick lang wusste sie nicht, wo sie war. Es roch nach billigem Lampenöl und totem Fisch. Dann wurde ihr klar: Sie waren in einem kleinen Teesaloon in der Öffentlichkeit eingeschlafen! Peinlich berührt richtete sie sich auf.
    „Müssen wir schon los?“, erkundigte sie sich schamerfüllt. Sie strich mit beiden Händen das Haar zurück und zurrte die Schleifen an ihrem Hut zurecht.
    James erhob sich und griff nach den Taschen. „Ja. Es wird Zeit.“
    „Hast du schon etwas gegessen?“, fragte sie ihn. An diesem Morgen sah er ungewohnt blass aus.
    „Nein. Bis wir wieder an Land sind, esse ich lieber nichts. Ich empfehle dir dasselbe. Der Wellengang im Firth ist heute hoch, und wir werden auf dem Wasser ganz schön herumgeschaukelt werden. Offenbar zieht von Norden her ein Sturm auf. Aber ich hab beim Bäcker vorsorglich ein paar Fleischpasteten gekauft, falls du nachher Hunger bekommst.“
    „Gut.“ Susanna folgte ihm zum Hafen. Unten am Kai kletterten sie in ein etwa zwölf Meter langes Fischerboot, in dem sie schon erwartet wurden. Die Besatzung bestand aus nur vier Personen.
    „So, Sie sind also die feinen Herrschaften, die Richtung Kinloss wollen. Ich bin der Kapitän. Jock Menzies heiße ich.“ Ein stämmiger kleiner Mann mit kräftigen

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