HISTORICAL Band 0272
Seit er sich an Bord mit seiner Seekrankheit blamiert hatte, war sie bester Laune. Er hatte das Gefühl, sie forderte ihn permanent heraus, schon mit ihrer anstrengenden guten Laune. Vermutlich musste er sich glücklich schätzen, dass sie ihn wegen seines schwachen Magens nicht andauernd bemitleidete. Doch dieser Gedanke hob seine Stimmung nicht. Sie braucht mich nicht, dachte er bedrückt. Dabei liebe ich sie!
Susanna litt. Die Erschütterungen, die sich über die harte Holzbank auf ihren vom Reiten strapazierten Allerwertesten übertrugen, hielten sie trotz des einlullenden monotonen Rhythmus’ der Räder hellwach. Mitleidig blickte sie zu James hinüber, der ihr gegenübersaß. Durch die dicken Stofflagen ihrer drei Röcke wurden die Erschütterungen wenigstens etwas abgedämpft. Und weil sie es nach kurzer Zeit gar nicht mehr auszuhalten können glaubte, hatte sie sich auf ihre Stofftasche mit dem nassen Reitkleid gesetzt. Aber James … Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was er ertragen musste.
Er wirkte melancholisch. Als sie versucht hatte, sich mit ihm zu unterhalten, damit die Zeit schneller verging, beteiligte er sich nur sehr einsilbig an ihrem Gespräch, gab sich höflich, aber distanziert.
Erst nachdem sie sich einige Zeit stumm gegenübergesessen hatten, glaubte Susanna, das Problem erkannt zu haben: Er war verärgert, weil sie die Fahrkarten gekauft hatte!
Sie beugte sich zu ihm vor, damit die übrigen Reisenden nichts von dem hören konnten, was sie sagte. „Wir werden doch in einer Stunde in Edinburgh sein? Wir sollten überlegen, wie wir vorgehen wollen, wenn wir erst einmal dort sind“, flüsterte sie ihm zu.
Fragend hob er die rechte Augenbraue.
Sie griff in ihren Handarbeitsbeutel und zog das restliche Geld heraus, das sie noch bei sich hatte. „Bitte nimm du das Geld. Ich trage nicht gern so viel mit mir herum.“ Sie nahm eine seiner Hände, zwängte das Geld hinein und schloss seine Finger darum. „James – ich weiß doch, dass du am liebsten selbst zahlst.“
Ein Muskel, der über seinen kantigen Kiefer lief, begann zu zucken. Sie hoffte, dass er sich die Zähne nicht entzwei biss.
Als James nicht antwortete, fuhr sie leise fort: „Hast du dir wenigstens schon deinen Verwalterlohn ausgezahlt, als du das letzte Mal in Beauly warst? Ich kann dich nicht entlohnen, ich habe keinen Zugang zu unserem Vermögen.“
„Zu deinem Vermögen“, knurrte James kaum vernehmlich.
Sie zog die Augenbrauen hoch. „Nein, James: Von Rechts wegen gehört das ganze Vermögen dir . Nur weil du großzügig bist, kann ich es auch mein Eigen nennen.“
„Ach wirklich?“ Er gab sich desinteressiert.
„James! Wenn Galioch und Drevers Gewinn abwerfen sollen, musst du unser Geld investieren! Wir werden beide davon profitieren. Und was das Geld hier angeht“, sagte sie und deutete auf seine Hand, „… das hat mir mein Vater zugesteckt, bevor wir Edinburgh verließen. Wir können es kaum sinnvoller ausgeben als dafür, ihn zu finden und vor Mr. Durston zu warnen. Nun steck es schon ein! Und hör auf, ständig zwischen Mein und Dein zu unterscheiden. Wir sind verheiratet!“
„Wie kommst du überhaupt darauf, dass ich dein Geld nicht nehmen will?“, fragte er bitter. „Habe ich auch nur ein Wort darüber verloren?“
„James – jedes Mal, wenn ich eine Münze zücke, erstarrst du plötzlich zu Eis. Hast du gedacht, ich hätte nicht gesehen, welch langes Gesicht du in Elgin gemacht hast, als ich dir die Fahrkarten gegeben habe? Wir haben doch momentan ganz andere Probleme. Da sollten wir uns nicht wegen ein bisschen Geld streiten!“
Er verzog den Mund. „Nun, dann lasse ich mich eben von dir aushalten. Zufrieden?“
Sie klimperte herausfordernd mit den Wimpern: „Besser ausgehalten als ferngehalten, oder?“
Entsetzt sah er sie an. „Hast du das ernsthaft in Erwägung gezogen – mich von dir fernzuhalten? Als Mr. Fowler dir so viele hübsche Komplimente machte – warst du da versucht, mich fallen zu lassen?“
„Keine Sekunde lang!“, meinte Susanna empört.
Er knurrte: „Ich verstehe. Besser ein schottischer Habnichts als ein englischer Tunichtgut, wie? Trotzdem: Ich sollte dich ernähren“, sagte er und betonte das „dich“. „So ist es Brauch.“
„Wer hat den Brauch erfunden?“
„Es ist einfach Brauch – aus, Ende.“
Verärgert lehnte sie sich zurück. „Welch ergreifende Logik! Selbst wenn du vermögender wärst – dann würdest trotzdem nicht du mich
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