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HISTORICAL Band 0272

HISTORICAL Band 0272

Titel: HISTORICAL Band 0272 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LYN STONE LOUISE ALLEN
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verstehe. Sobald die Wachen Auskunft gegeben haben, wann ich mein Schlafgemach verließ, wird man alle Kutschen überprüfen, die heute noch die Stadt verlassen. Übernehmen Sie häufig solche Aufträge, Mr. Ryder?“
    „Die Entführung einer Königlichen Hoheit? Nein, das ist mein erstes Mal.“ Offenbar spürte er ihren funkelnden Blick im Halbdunkel der Kutsche und fuhr fort, ehe sie explodieren konnte. „Im Krieg hatte ich gelegentlich auf dem Kontinent zu tun. Hauptsächlich aber führe ich Geheimaufträge für die Regierung aus, gelegentlich nur für Privatpersonen.“
    „Bespitzeln Sie dann Ehefrauen, die auf Abwege geraten sind?“
    „Meist überprüfe ich Heiratskandidaten, ob sie das sind, was sie zu sein vorgeben, und gelegentlich arbeite ich auch als Leibwächter. Vor Kurzem war ich einem Gentleman behilflich, der seine Gemahlin vor zehn Jahren aus den Augen verloren hatte.“
    „Gütiger Himmel. Wie unvorsichtig von ihm. Und damit verdienen Sie sich Ihren Lebensunterhalt?“ Er sprach ein gepflegtes Englisch, das in seiner genauen Aussprache an einen Offizier erinnerte. Mit ihrem Vorwurf, er sei ungezogen, hatte sie sich wohl geirrt. Er trug keinen Ring, und seine Kleidung gab keinen Aufschluss über seine Herkunft – abgesehen von der Tatsache, dass sie sich dafür eignete, von hohen Burgmauern in fremde Gemächer einzudringen.
    „Ich verfüge über ein angemessenes privates Einkommen. Ich tue das, weil es mir Spaß macht.“
    „Tatsächlich?“ Höchst seltsam! Wie konnte jemand Spaß an Gefahren und Entbehrungen haben? Und dann machte Eva sich klar, dass auch sie Spaß an diesem Abenteuer hatte, und zwar in einer seltsam unschicklichen Weise. Sie hatte Angst, machte sich große Sorgen um Frédéric, war von den Ereignissen des heutigen Tages tief verwirrt, aber sie fühlte sich auch lebendig. Das Blut rauschte ihr in den Adern und ihr Geist war angeregt. Unversehens war sie aus einem beschaulichen Leben der Vorhersehbarkeit und privilegierter Machtlosigkeit, in dem jeder Schritt geregelt und vorgestimmt war, herausgerissen und in eine völlige Unsicherheit geschleudert worden – und sie fühlte sich wunderbar dabei.
    Erst gestern hatte sie beim Blick in den Spiegel wehmütig darüber nachgedacht, dass vor ihr eine Zukunft lag, die keinerlei Höhepunkte mehr aufwies, nur die Eintönigkeit der Routine und der Aufgabenerfüllung, bis sie eines fernen Tages für immer die Augen schloss.
    In wenigen Monaten wurde sie siebenundzwanzig. Neun Jahre lang war sie eine pflichtgetreue Gemahlin gewesen, danach eine pflichtgetreue Herzoginwitwe. Sie hatte nie etwas Aufregendes und Gewagtes getan. Mit jedem Jahr seines Erwachsenwerdens würde Freddie sich ihr mehr und mehr entfremden, und wenn er einmal heiratete, würde sie all ihrer Aufgaben enthoben sein und völlig in den Schatten treten. Darin bestand ihr weiteres Leben. Genauso gut könnte sie auch tot sein.
    „Ma’am?“
    „Ja, Mr. Ryder?“
    „Sie seufzen. Fühlen Sie sich nicht wohl?“
    „Nein, nein. Ich überlege nur, wie gefährlich es ist, sich etwas zu wünschen. In letzter Zeit fand ich mein Dasein ein wenig eintönig und sehnte mich nach Abwechslung. Und genau in diesem Moment taucht Napoleon wieder auf, Philippe wird durch eine seltsame Krankheit ans Bett gefesselt, jemand versucht, Freddie und mich zu töten, und Sie springen durchs Fenster in mein Schlafgemach und verleiten mich dazu, einen Einbruch zu begehen. Wie mir scheint, stehe ich am Beginn eines neuen Abschnitts meines Lebens.“
    „Das kann ich Ihnen versichern.“ Die Kutsche hielt zum dritten Mal. Henry stellte seine Frage nach dem Weg im breiten Patois, der Mundart, die in Maubourg gesprochen wurde. Ein Nachtwächter unter einer Straßenlaterne gab Auskunft, während Eva sich tiefer in den Schatten der Kutsche zurückzog.
    „Wieso nehmen wir nicht die Straße nach Toulon?“, fragte sie, als der Wagen wieder anfuhr.
    „Die Strecke ist zwar schneller, aber auch gefährlicher. Hier im Süden hat Bonaparte eine große Anhängerschaft, und außerdem wird man vermuten, dass wir diese Strecke wählen. Zugleich würde es schwierig werden, ein Schiff zu finden, das uns aus einem französischen Hafen nach England bringt. Wir reisen stattdessen nach Norden, durch das Burgund, dann nordöstlich bis Brüssel, wo Wellington seit Anfang April sein Hauptquartier aufgeschlagen hat. Von dort geht es weiter nach Ostende.“
    Die Kutsche bog scharf nach links und hielt an. „Wenn Sie

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