Historical Band 298
beschlossen, die Verantwortung für die Herberge zu tragen, für seinen Vater und sogar für die Verteidigung Englands.
Und was hatte sie für andere getan? Noch nicht einmal ihrer Schwester hatte sie geholfen.
Sie straffte die Schultern. Es war zu dunkel, um seine Augen noch erkennen zu können. Also griff sie nach seiner Hand. „Ich sagte doch, dass ich Euch stolz machen würde. Und das werde ich auch. Versprochen.“
Er hielt ihre Finger mit festem Griff, und ihr Herz schlug heftiger. Sie fühlte es in ihrer Hand, in ihrer Kehle. Ihre eingebundenen Brüste spannten sich an und drohten ihr Geheimnis zu verraten, ohne dass sie auch nur ein Wort sagte.
Sie wollte die Hand zurückziehen, aber Duncan ließ sie nicht los.
„Wahre Freunde für immer, was?“ Seine raue Stimme drang zu ihr durch die Dunkelheit.
„Versprochen“, antwortete sie, als ob allein schon die Worte sie an seiner Seite halten würden, eng vertraut wie Blutsverwandte, ihr ganzes Leben lang.
„Gib dein Wort nicht leichtfertig, Junge.“
Sie schluckte, fühlte, wie ihre Finger in seiner Hand zitterten. „Ich schwöre es beim Himmel. Und mit Gott als meinem Zeugen.“ Sie wusste nicht, was sie versprach. Aber sie wusste, dass dieses Versprechen sie zwingen würde, Dinge zu tun, die sie sich jetzt noch nicht einmal vorstellen konnte. „Ich werde Euch so treu sein wie einem Bruder.“
Bei ihren Worten zitterte seine Hand, und er ließ sie los. „Ab ins Bett mit dir“, erwiderte er.
Während sie zu ihrer Liegestatt im Schlafsaal ging, drehten sich ihre Gedanken um den Eid, der sie verband.
Sie hatte noch nie einen Eid geschworen, noch nie ein so ernstes Versprechen gegeben. Sie hatte es getan, damit sie an seiner Seite bleiben konnte. Vielleicht wie ein Page, der seinem Ritter dienen wollte.
Bruder. Dieses Wort hatte ihn erzittern lassen. Einem Bruder musste man keinen Eid leisten. Bei Brüdern war dieser Eid von Geburt an da.
So wie auch bei ihr und ihrer Schwester.
Ein Eid, den sie gebrochen hatte.
Wieso glaubte sie, den Eid halten zu können, den sie ihm geschworen hatte?
Erst als sie ihre Matratze ausbreitete und die Tränen spürte, die ihr langsam über die Wangen rollten, wurde ihr bewusst, dass Duncan ihr gar nichts versprochen hatte.
7. KAPITEL
J a ne erschrak, als sie am nächsten Tag auf dem Markt die Frau wiedersah, die sie so bedrängt hatten. Sie stand vor einem Gemüsestand.
Als ihre Blicke sich trafen, kniff die Frau in misstrauischem Erkennen die Augen zusammen, bevor sie sich umdrehte und über den Platz davoneilte.
Jane rannte ebenfalls los und holte sie rasch ein. Sie packte die Frau am Ärmel, und die drehte sich wütend um.
„Hast du deinen Spaß gehabt?“, fauchte sie mit verzerrtem Gesicht. „Suchst du nach mehr?“
Erschrocken über diese Worte ließ Jane sie sofort los. „Es tut mir leid.“ Noch mehr bedauerte sie, dass sie die anderen nicht von ihrem Spaß hatte abhalten können. „Eigentlich sind sie keine schlechten Männer.“
Die Frau neigte den Kopf und sah sie stirnrunzelnd an.
Man hätte sie hübsch nennen können, hätte das Leben ihr Gesicht nicht hart gemacht. Ihre Augen blickten trüb, die Schultern waren gebeugt und ihr Gang war schleppend.
Entsetzt erkannte Jane, dass sie kaum älter als zwanzig Sommer sein konnte. Wie mochte das Leben dieser Frau ausgesehen haben, während Jane in ihrem sicheren Zuhause aufgewachsen war? So erging es also Frauen, die von der Gnade der Männer abhingen und nicht über ihr eigenes Schicksal bestimmen konnten.
„Ich hoffe, sie bezahlen dich gut“, sagte die Frau schließlich. „Ich meine, dass du dich wie ein Junge kleidest und ihr privates Spielzeug bist.“
Jane stieg das Blut ins Gesicht, und sie erstarrte.
Sie wusste es.
Diese Frau hatte ihre raue Sprache, ihren jungenhaften Gang und ihre flach gebundenen Brüste durchschaut. Offenbar hatte sie sich keinen Augenblick lang täuschen lassen.
Schlimmer aber war, dass das Mädchen sie, Jane, für eine Hure hielt. Für die schlimmste Art von Hure. Schlimmer noch als ihre Mutter. Die Worte unterstellten ihr Dinge, die Jane sich noch nicht einmal vorstellen konnte.
Hastig packte sie die Frau beim Arm und zerrte sie in eine kleine Gasse. „Sie wissen es nicht“, flüsterte sie voll Verzweiflung. „Sie halten mich für einen Jungen.“
„Sie wissen es nicht?“ Fassungslos sah die Magd sie an. Dann legte sie die Hände auf den Bauch, warf den Kopf zurück und lachte so laut, dass Jane
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