Historical Band 298
wiedersehen.“
„Falls dein Latein gut genug ist. Und ganz gleich, was Seine Majestät auch sagte, das liegt an dir, nicht an mir.“
„Ich kann es schaffen.“
Duncan hoffte es. Durch den Jungen hatte der König ihm eine Möglichkeit eröffnet, für seinen Vater zu bitten.
Verlief die Abstimmung im Parlament nicht so, wie er sich wünschte, musste er diese Chance nützen.
Sein Zorn war verflogen. Er nahm den blonden Kopf des Jungen in den Schwitzkasten. „Also gut, Kleiner“, sagte er und brummte belustigt, als John mit den Fäusten gegen seine Rippen hämmerte. „Wir werden uns eine hübsche kleine Rede von Cato aussuchen und mal sehen, ob du fünf Minuten lang ein anständiges Latein zusammenbringst.“
Er ließ den Jungen los und gab ihm einen Klaps aufs Hinterteil.
In den blauen Augen des Jungen flammte etwas auf: die Entschlossenheit eines erwachsenen Mannes, wie Duncan sie bei ihm noch nicht gesehen hatte. „Ich werde es schaffen. Ich werde Euch stolz machen.“
Duncan nickte. Aber er fühlte sich unbehaglich. Die Worte, die weichen Lippen des Jungen, der Schein der untergehenden Sonne auf dem hellen Haar des Burschen – etwas löste ein Gefühl in ihm aus, das er seit dem Tod seines Bruders nicht mehr empfunden hatte. Und auch nicht empfinden wollte.
„Na gut“, sagte er, ohne dem Jungen die Haare zu zerwuscheln, wie er es sonst vielleicht getan hätte. „Lass uns nach Hause gehen.“
Er mochte den Bursche eben. Wollte ihm nur helfen. Das war alles.
Sonst nichts.
6. KAPITEL
J a ne betrachtete den Mann am Tisch neben Duncan. Seit Stunden saßen sie schon beieinander.
Er war nicht von der Universität, vermutete sie. Ein Fremder, weißhaarig, mit sanfter Stimme, aber einer herrischen Ausstrahlung. Vielleicht hatte er mit dem Parlament zu tun. Aber wer immer er auch war, er nahm zu viel von Duncans Zeit in Anspruch.
Einen Tag nach Ankunft des Königs war das Parlament zusammengetreten. Seitdem hatte Duncan kaum einen Blick für sie übrig gehabt. Ganz zu schweigen davon, dass er sie unterrichtet hätte.
Sie stellte sich vor seinen Tisch und räusperte sich. „Wann fangen wir mir meinem Unterricht an?“
Duncan sah nicht auf. „Wenn ich so weit bin. Ich habe anderes zu tun, als jede Minute des Tages mit dir zusammen zu sein.“
Kein Lächeln. Kein Gruß. Na gut, dann würde sie jetzt reden, wie ein Mann redete, wenn er etwas wollte. „Ich kam hierher, um Latein zu lernen, nicht, um in der Küche zu arbeiten. Ich dachte, Ihr würdet es mich lehren.“
Immerhin erreichte sie damit, dass er sie ansah. Und sie bereute es sogleich, als er fragte: „Glaubst du, die Sonne dreht sich um dich anstatt um die Erde?“
„Aber der König!“ Die Tage verrannen. Der König würde abreisen, sobald die Parlamentsitzung vorbei war. „Ich muss ihm zeigen, wie gut mein Latein ist!“
Der ältere Mann hob die Augenbrauen, schwieg aber taktvoll.
Duncan seufzte. „Dieser bemerkenswerte Student ist Little John, ein Waisenjunge, dessen Manieren noch schlechter sind als sein Latein.“
Sie spürte, dass ihre Ohren glühten. Ich mache Euch stolz , hatte sie versprochen. Wie es schien, war sie dazu als Mann genauso wenig fähig wie als Frau. „Verzeiht bitte, Master Duncan.“ Sie nickte dem anderen Mann zu. „Und auch Ihr, Sir. Ich war übereifrig.“
„John, du solltest dich geehrt fühlen, diesen Mann kennenzulernen. Das ist Sir James Pickering, Mitglied des Parlaments.“
Um ein Haar hätte sie einen Knicks gemacht, dachte aber rechtzeitig daran, sich zu verbeugen. Wenigstens sah er sie nachsichtig an.
„Die wievielte Parlamentssitzung ist es für Euch?“, fragte Duncan. „Die zehnte?“
„Mindestens.“
„Mehr als für den König selbst. Und seit wann seid Ihr gewählter Sprecher?“
Der Mann lachte leise. „Seit einiger Zeit schon. Jetzt sind sie es müde, mich reden zu hören. Deshalb brauche ich Euch.“
Zehn Parlamentssitzungen. War dieser Mann einer von denen, die ihrer Mutter das Vermögen genommen und ihre Familie so gut wie verbannt hatten? Vielleicht täuschten seine freundlichen Augen.
„Wozu braucht Ihr Master Duncan?“, fragte sie.
Auch das Lächeln des Mannes war freundlich. „Um die Mitglieder zu überzeugen, den Steuern zuzustimmen, die notwendig sind, um die Schotten zu bekämpfen.“ Pickering klopfte auf eine Liste mit Namen, die auf dem Tisch lag. „Und um die tapferen Männer auszulösen, die bereits unsere Grenzen verteidigt haben.“
„Euren
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