Historical Band 303
Henri aus dem Krieg zurückgekehrt ist, wollen wir uns auch vermählen! Zwar wird unsere Hochzeitsfeier gewiss nicht derart prächtig, Mam’selle Sophie, aber findet nicht einfach jeder Hochzeiten schön?“
Sophie fädelte bereits einen Faden durch ihre Nadel und hob eine Bahn der rosa Seidenvorhänge des Himmelbettes auf, um ihre Stickarbeit fortzusetzen. Jeder findet Hochzeiten schön? fragte sie sich mit schwerem Herzen. Also ich nicht. Ganz im Gegenteil, vor dieser hier fürchte ich mich regelrecht!
In nur zwei Wochen wollte Kaiser Napoleon die Erzherzogin Marie-Louise von Österreich in einer Zeremonie ehelichen, die die ganze Welt vor Neid erblassen lassen sollte.
Allerdings gab es noch ein Problem. Und sie, Sophie, musste es lösen, um ihren geliebten Vater vor dem völligen Ruin zu bewahren.
Drei Stunden später eilte Sophie durch die belebten Arkadengänge, die das Palais Royal umgaben; einem beliebten Ort für Trinker, Spieler und Freudenmädchen.
Eine grell gekleidete Dirne meinte im Vorübergehen spöttisch lachend: „In dieser Kleidung wirst du nie Kundschaft bekommen, Liebchen.“
„Oh, ich wäre da nicht so sicher, unter diesem züchtigen Mantel steckt offenbar ein hübsches Mäuschen …“, erwiderte ein Mann mit unverhohlen lüsternem Blick und packte Sophie am Arm.
„Finger weg!“, rief Sophie warnend. Der Mann sah einfach zum Fürchten aus, denn er hatte keine Schneidezähne mehr – eine Tatsache, die an sich nicht ungewöhnlich war. Viele Bürger hatten sich die Zähne selbst ausgeschlagen, um nicht in die Armee eingezogen zu werden.
Fleur hatte ihr den Grund dafür erklärt. „Ohne Zähne können sie die Patronen nicht aufreißen, verstehen Sie? Aber mein Henri, der ist tapfer – der würde so etwas niemals tun. Oh, ich kann es gar nicht erwarten, seine Gemahlin zu werden!“
Sophie schob den angetrunkenen Mann von sich fort. Hochzeiten, Hochzeiten. Sie hastete weiter zu der Ecke, an der sich die Pariser Künstler tummelten. Einige hatten ihre Leinwände aufgestellt, andere ihre Bilder für die vorbeilaufende Kundschaft ausgebreitet. Also dann.
„Können Sie mir helfen?“, fragte sie den Maler, der ihr am nächsten stand. „Ich suche einen Künstler namens Jacques.“
Der Mann brach in Gelächter aus. „Jacques und weiter? In Paris gibt es Tausende Künstler mit dem Namen Jacques, mein Täubchen!“
„Wenn Sie mich ausreden lassen würden; er stammt aus einem Ort namens Claremont!“ Sophies Stimme klang inzwischen recht verzweifelt. „Wie ich hörte, soll er ausgezeichnete Porträts malen, und wie ich ebenfalls hörte, ist er billig!“
„Das“, sagte eine männliche Stimme hinter ihr gedehnt, „kommt ganz auf den Auftrag an. Und wer ihn bezahlt.“
Sie wirbelte herum. Ein Mann stand vor ihr, und als er sie von oben herab musterte, wurde ihr Mund plötzlich ganz trocken. Er war Ende zwanzig und sein dunkles, zu langes Haar und die nachlässige Kleidung wiesen ihn als einen sorglosen, unbekümmerten Künstler aus, der sich nicht viel darum scherte, was andere von ihm dachten. Doch seine Haltung, sein Benehmen schien irgendwie nicht recht zu seinem Äußeren zu passen – es zeugte vielmehr von Hochmut und Arroganz. Sein Gesicht war glattrasiert und atemberaubend attraktiv, mit einem sinnlich geschwungenen Mund und Augen so dunkel wie sein Haar.
Tief atmete sie ein. „Sind Sie Jacques, der Maler aus Claremont?“
„Mein Name ist Jacques, ich komme aus Claremont, und Porträts sind meine Spezialität.“
„In diesem Falle, Jacques …“ Sophie wechselte in den herablassenden Tonfall, der im Palast verbreitet war, „… hätte ich möglicherweise ein Angebot für Sie. Zunächst aber benötige ich einen Beweis Ihres Talents!“
Er zog ein kleines Skizzenbuch aus seiner Tasche und schlug es mit seinen starken, schlanken Künstlerhänden auf. „Überzeugen Sie sich selbst, Mam’selle.“
Auf jeder Seite befand sich ein Aquarellporträt. Eines wie das andere strahlte vor Detailreichtum und Lebendigkeit.
„Oh! Sie sind wunderschön“, hauchte sie.
Er blickte sie belustigt an. „So sagt man. Und Ihr Angebot?“
Unverwandt begegnete sie seinem Blick. „Ich habe einen größeren Auftrag zu vergeben. An mehreren Porträts müssen gewisse … Korrekturen vorgenommen werden.“
„Korrekturen?“ Er hob die dunklen Brauen.
„Ja!“, antwortete sie. „Aber die Arbeit muss sehr diskret ausgeführt werden und ich kann nicht viel zahlen …“
„Das
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