Historical Band 303
schüchtern. Und das war absurd! Sie war dreiundzwanzig Jahre alt und selbst den Umgang mit den herablassenden Dienstboten im Palast gewohnt, hatte sogar gelegentlich dem Kaiser höchstpersönlich gegenübergestanden. „Ein Verbrechen ist es ganz gewiss nicht, worum es bei dieser Angelegenheit geht“, fuhr sie heftig fort. „Aber ein Problem, das es erfordert, die Arbeiten in diesem Raum unter strengster Verschwiegenheit und Geheimhaltung auszuführen. Wie ich schon sagte, wenn es bekannt wird, bekomme ich großen Ärger. Sie indes auch, und ich vermute, dass Sie bereits in Schwierigkeiten stecken und Ihre Taschen in Anbetracht Ihrer Lebensweise recht leer sind!“
Sie sah etwas in seinen Augen aufblitzen. Humor? Fand er die ganze Angelegenheit etwa amüsant?
„Also“, fuhr Sophie fort, bemüht ihr erneut wild hämmerndes Herz zu beruhigen, „ich werde Ihnen zahlen, was mir möglich ist. Das ist leider nicht sehr viel. Aber mein Vater hat als stellvertretender Kurator einen gewissen Einfluss und er wird nach Beendigung Ihrer Arbeit dafür sorgen, dass Sie zahlreiche Aufträge erhalten. Stimmen Sie zu, bevor ich Ihnen erkläre, welche Aufgabe Sie ausführen sollen?“
Sein Blick glitt fast träge über sie, doch in solch eindringlicher Weise, dass ihr Puls unwillkürlich zu rasen begann. Was wollte er damit bezwecken? Warum nur musterte er sie derart? Sie versuchte, ihn ebenso anzustarren, doch es gelang ihr nur halbherzig, denn seine beunruhigend breitschultrige, stattliche Gestalt lenkte sie ab. Ebenso wie seine Hände, sein Mund – oh, gütiger Himmel, dieser aufreibend verführerische Mund, der sich selbst jetzt zu einem unverhohlen spöttischen Lächeln verzog …
Verzweifelt wandte sie den Blick auf das modisch gewagte Streifenmuster seiner Weste.
„Ich halte nichts von leeren Versprechungen“, sagte er gedehnt. „Sie sagten, Sie würden mir zahlen, was Ihnen möglich sei. Ich würde gern wissen, auf welchen Betrag sich diese Summe beläuft.“
Als sie ihm antwortete, zitterte ihre Stimme unvermittelt ein wenig. „Ich kann höchstens zweihundert Francs erübrigen.“
Er verschränkte die Arme. „Das“, so sagte er mit kaum verhohlener Verachtung, „ist jämmerlich.“
„Ich weiß, es ist nicht viel!“ Bestimmt war ihr die Verzweiflung nun deutlich anzusehen. „Aber die Aufträge – mein Vater wird dafür sorgen, dass Sie in Kreisen bekannt werden, von denen Sie bisher nur geträumt haben – aristokratischen Kreisen!“
Die Arme immer noch verschränkt lehnte er sich mit den Schultern an eine vergoldete Säule, auf der eine Marmorbüste von Napoleon thronte. Verflixter Napoleon, dachte Sophie in einem Anfall von Wut. Verflucht soll er sein!
„Das ist ein Angebot, dem ich mühelos widerstehen kann, das können Sie mir glauben.“
„Oh.“ Vor Enttäuschung sackte sie in sich zusammen.
Er zuckte mit den Schultern, eine achtlose, geschmeidige Bewegung, die ein seltsames Flattern in ihrer Magengrube auslöste. „Ich mache Ihnen dennoch einen Vorschlag, wenn ich darf? Sie erklären mir zunächst einmal genau, womit Sie mich beauftragen wollen, danach nenne ich Ihnen meinen Preis.“
Sie nagte an ihrer Unterlippe. „Ich sagte Ihnen doch bereits, ich habe nur wenig Geld, ich kann Ihnen nicht mehr zahlen!“
„Wer sagt, dass Sie mich in barer Münze bezahlen müssen, Mam’selle?“, meinte er bedächtig. „In der Tat wird es Sie nur einen Augenblick Ihrer Zeit kosten, glauben Sie mir.“
Ihre Gedanken rasten. Was auch immer er verlangte, sie musste es akzeptieren. Ihr blieb kein anderer Ausweg.
„Meine Aufgabe?“, drängte er sanft.
Sie benetzte die spröden Lippen und begegnete tapfer, fast stolz seinem Blick. Dann sagte sie: „Das Problem, verstehen Sie, ist Joséphine.“
„Joséphine?“
Sie nickte und führte ihn sogleich auf einen Rundgang durch den Salon, der Napoleon als Kapelle für seine Hochzeit dienen sollte.
„Auf diesem, diesem und jenem Gemälde ist Napoleons erste Gemahlin, Kaiserin Joséphine, abgebildet“, erklärte Sophie und gewann, nun da sie neue Hoffnung geschöpft hatte, ihre innere Ruhe zurück. „Die offiziellen Porträts der ehemaligen Kaiserin wurden selbstverständlich entfernt, sobald sich Napoleon von ihr scheiden ließ. Bedauerlicherweise hat man indes übersehen, dass Joséphine auf Napoleons Geheiß in vielen Gemälden dargestellt wurde, beispielsweise in der Menschenmenge hier. Oder hier …“ Sie deutete auf ein klassisches
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