Historical Collection Band 01
fühlst du dich als Unterlegener?“
„Erstaunlich gut.“ Er setzte sich auf und rieb sich die Handgelenke.
Ein wenig betreten bemerkte sie die roten Striemen dort, wo die Bänder eingeschnitten hatten, als er sich dagegen auflehnte. „Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun“, sagte sie zerknirscht.
Er zuckte die Achseln. „Was macht es schon?“, murmelte er und zog sie zu sich nieder. Er streichelte ihren Rücken und schloss sie fest in die Arme, sodass sie, an seine Brust geschmiegt, seinen Herzschlag hören konnte.
Wie hatten drei Tage so schnell vergehen können? Warum konnte die Nacht nicht noch andauern? Ihr graute vor dem Morgen.
„Belle …“, sagte er, „… wegen morgen …“
„Es bedarf keiner Worte …“, murmelte sie dicht an seiner Haut. Sie wollte von ihm kein Wort mehr über ihre Abmachung hören, geschweige denn Dank oder Entschuldigungen oder Rechtfertigungen. Sie würde sich nicht untreu werden, sondern einfach fortgehen, und wenn es sie umbrächte.
In dem Gefühl völliger Übereinstimmung lächelte Ewan zufrieden. Sie hatte recht. Etwas so Elementares wie das, was sie teilten, bedurfte keiner Worte. Dennoch würde er sie morgen früh aussprechen. Natürlich war ihr Werben umeinander äußerst unkonventionell verlaufen, trotzdem musste es förmlich besiegelt werden. Er schlief ein, schlief tief und träumte von ihrer gemeinsamen Zukunft. Als er aufwachte, war Belle fort.
* * *
W arum bist du ohne ein einziges Wort verschwunden?“ Ewan drängte an dem Dienstmädchen vorbei in den kleinen Salon und stieß die Tür hinter sich entschieden zu. Er war zornig und zeigte es. Wie er da stand, mit stählern schimmernden Augen und alle Muskeln angespannt, wirkte er wie zum Sprung bereit. Starr sah er Isabella an, so eindringlich, dass sie den Blick nicht abzuwenden wagte.
Ratlos schüttelte sie den Kopf.
„Ich dachte, es wäre zwischen uns alles klar gewesen“, sagte er schroff und ging auf sie zu. Drei große Schritte, und er stand vor ihr. „Gestern Nacht sagtest du, es gebe nichts zu reden, zwischen uns sei alles klar. Ich dachte, du hättest erkannt …“ Abrupt hielt er inne, fuhr sich mit der Hand über das unrasierte Kinn und harkte dann mit den Fingern durch seine Mähne, die ebenso in Unordnung war wie sein Seelenleben. „Isabella, hast du eine Vorstellung, wie ich mich gefühlt habe? Ich wusste nicht einmal, wo du wohnst.“
Sie lächelte unsicher. „So weit waren wir noch nicht, uns derart alltägliche Dinge zu erzählen.“
„Nein. Was wir geteilt haben, war wesentlich elementarer“, sagte er und ergriff ihre Hand. „Zum Glück hat der Lakai, der heute Morgen die Mietkutsche für dich rief, ein hervorragendes Gedächtnis.“
Ein Fünkchen Hoffnung keimte in ihrer Brust auf, doch sie wagte nicht, es zur Gewissheit werden zu lassen. „Nun, fest steht, dass wir uns nach so kurzer Bekanntschaft mit einer … einer Offenheit begegnet sind, wie sie manche Menschen erst nach vielen, vielen gemeinsamen Jahren erleben.“
Blaue Auge schauten in bernsteingoldene, suchten verzweifelt nach Vertrauen, Gewissheit. Ewan schließlich sprach.
„Nicht mehr als zwei Tage und drei Nächte, und doch spüre ich, dass ich dich ganz genau kenne, und du mich ebenso gut kennst.“
Er schaute düster drein, sein Mund war eine scharfe, dünne Linie. Er wirkte so streng, dass man sich hätte fürchten können, doch Isabella fürchtete sich nicht. Sie sah Unsicherheit, Qual. Bisher hatte sie ihn noch nie so ängstlich besorgt gesehen, nie hatte seine Stimme so geklungen, nicht einmal im Rausch der Leidenschaft. Und sie erkannte, was es war, denn es spiegelte ihre eigenen Empfindungen.
Trotzdem suchte sie Bestätigung. „Du sagtest letzte Nacht, dass wir keiner Worte bedürften.“
„Nein, das hast du gesagt. Du hast mich nicht ausreden lassen …“ Nun dämmerte es ihm langsam. „Du nahmst an, ich meinte, keine Reue.“
Sie lachte abgerissen. „Ich dachte, du wolltest mich an unsere Abmachung erinnern, ich hatte angenommen, dass du genug von mir hattest. Ich brachte es einfach nicht über mich, Lebwohl sagen zu müssen.“
Ein winziges Lächeln hob seine Mundwinkel. „Lebwohl! Das ist das einzige Wort, das wir niemals sagen werden. Nein, was ich sagen wollte, war … wir beide hatten etwas so Elementares geteilt, dass es mir wie ein Sakrileg vorkam, es in Worte zu kleiden.“
„Etwas Elementares“, flüsterte Isabella. „Ja, so empfand ich es auch.“
„Eine
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