Historical Collection Band 02
Dereham … und den andern vor, und dann zeige ich dir dein Zimmer, und du kannst mir alles erzählen. Was es auch ist.“
Der Landsitz der Derehams, im tiefsten Winkel von Hertfordshire gelegen, war ein schönes, anheimelndes Anwesen. Nachdem Sarah von Lady Dereham mit herzlichem Lächeln begrüßt und den andere Gästen vorgestellt worden war, ließ sie sich von Jessica nach oben führen.
„Und jetzt erzähl mir, was mit dir los ist! Du hast dunkle Ringe um die Augen, und ich möchte schwören, dass du dünner geworden bist. Ist es wegen Sir Jeremy?“ Jessica kuschelte sich in den Fenstersitz, und dann sprudelte Sarah ihre Geschichte hervor. Als sie an die Stelle kam, wo Jonathan ihr die unerhörte Methode vorschlug, wie sie ihren Verlobten loswerden könnte, schlug Jessica die Hände vor den Mund und starrte sie entsetzt an.
„Sarah! Du hast dich von ihm entjungfern lassen?“
„Nein! Ich sagte doch, nur beinahe . Jessica, ich bin verliebt!“
„Liebes, das ist so romantisch! Gibt es Suchplakate für ihn? Hat er einen gefährlich klingenden Namen? Reitet er einen schwarzen Hengst?“
„Sein Pferd ist ziemlich hässlich, und auf Plakaten sah man ihn auch noch nicht.“ Sarah seufzte. „Es ist Wahnsinn, überhaupt von ihm zu träumen. Er ist ein Gentleman, der schlechte Zeiten durchmacht, denke ich.“
„Das wird nicht gehen.“ Jessica schüttelte den Kopf. „Das weißt du auch. Es ist nicht wie in den Groschenromanen, in denen der arme Held sich plötzlich als Herzog entpuppt.“
„Ja, ich weiß.“ Nach all den mit Seufzern verbrachten Wochen hatte sie sich langsam damit abgefunden.
„Nun, ich behaupte, dass dir im Augenblick kaum danach zumute ist, mit den jungen Männern hier zu flirten. Doch du kannst dich jederzeit zu Elinor Ravenhurst setzen; sie ist sehr unromantisch und empfindet Männer als unnötige Frivolität, oder auch zu Lady Maude Templeton, die behauptet, sie weiß genau, wen sie heiraten will, und es nur noch nicht arrangiert hat. Ihr armer Auserwählter hat noch keine Ahnung, was ihm blüht, und ist ebenfalls hoffnungslos unpassend. Unglücklich verliebt zu sein ist natürlich schmerzlich“, fügte Jessica leise hinzu, „aber es vergeht irgendwann. Ich hoffe nur, es ist bei dir nicht echte Liebe, denn dann wird es lange dauern, bis es nicht mehr wehtut.“
Verliebt sein und wahrhaft lieben sind zweierlei, ging Sarah durch den Kopf, als sie mit Mrs Catchpole zum Dinner hinunterging. Was also ist es bei mir? Um zu lieben, muss man jemanden zuinnerst kennen. Was weiß ich denn über Jonathan?
„Er ist klug und ehrenhaft, er hat Humor, er konnte verzeihen, im Bett ist er ein … Engel oder Teufel?“, murmelte sie unterdrückt vor sich hin, was ihr einen scharfen Blick von Mrs Catchpole einbrachte.
„Sarah, hör auf, vor dich hinzuträumen. Das hier ist die Gelegenheit, nicht nur heiratsfähige junge Männer kennenzulernen, sondern auch einflussreiche zukünftige Gastgeberinnen. Und nun lächle gefälligst.“
Sarah nickte und nahm sich zusammen. Es war unhöflich, in Gesellschaft seinem Trübsinn nachzugeben, und sie würde bestimmt nicht damit aufhören können, solange sie weiterhin an Jonathan und die wundervollen Dinge dachte, die er mit ihr getan hatte.
So informell es bei Lady Dereham auch sonst zuging, ihre Tischordnung tat der gehörigen Rangfolge Genüge, und so saß Sarah zwischen dem Pfarrer und einem gewissen Lieutenant Harris, einem Mann mit derbem Humor.
Daher war ihre Laune, als die Damen sich in den Salon zurückzogen, um die Herren dem Portwein und der Politik zu überlassen, ziemlich gedämpft, und sie beschloss, sich den beiden zuzugesellen, die Jessica ihr empfohlen hatte. Miss Elinor Ravenhurst war einfach genug zu finden; sie saß in einer entfernten Nische, die Nase in einem Buch, und trug eine unkleidsame Robe von unbestimmter Farbe.
„Miss Ravenhurst? Ich bin Sarah Tatton. Ich möchte Sie ungern stören, aber Lady Standon sagte mir, Sie seien eine sehr vernünftige Frau mit klarem Verstand, deshalb würde ich gern einmal mit Ihnen sprechen.“
„Vernünftig?“ Miss Ravenhurst klappte lächelnd das Buch zu. „Damit meint sie, dass sie aufgegeben hat, mir junge Männer anzupreisen. Neigen Sie auch zu Gelehrsamkeit, Miss Tatton?“
„Nein, ich bin nur nicht in der Stimmung für männliche Gesellschaft.“ Sarah setzte sich. Sie sah sich aus klugen braunen Augen gemustert.
„Entweder weichen Sie einem unwillkommenen Verehrer aus, oder Sie
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