Historical Collection Band 02
nicht ausgenutzt, habe dich nicht hintergangen, nicht belogen …“
„Doch, durch Verheimlichen. Ich hielt dich für einen Straßenräuber oder, wenn nicht das, so doch zumindest für einen ganz gewöhnliche Mann, der ins Unglück geraten war. Warum konntest du mir nicht sagen, wer du bist?“
Und dann, wie ein Schlag, traf sie die Erkenntnis, warum er geschwiegen hatte und warum sie so wütend war, und sie blieb mitten auf der Tanzfläche wie angewurzelt stehen. „Aber natürlich konntest du es mir unmöglich sagen“, flüsterte sie, „denn du dachtest, dann würde ich sagen, dass du mich kompromittiert hast, und du hättest ganz schön in der Falle gesteckt, denn als Gentleman müsstest du mich heiraten! Das war es, ja?“
„Nein!“ Er sprach nachdrücklich, aber leise, so schwer es ihm auch fiel.
„Und vermutlich hast du dich mit deinen Freunden hinterher königlich darüber amüsiert“, ergänzte Sarah. „Es war eine Wette, diese Straßenräubersache, stimmt’s?“
„Ja verdammt, es war eine Wette!“ Das Paar, das an ihnen vorbeitanzte, starrte schon neugierig, da Sarah ihn anfunkelte, als wäre er drauf und dran, ihr etwas anzutun. „Aber natürlich habe ich kein Wort von dir erwähnt. Herrgott, komm weg aus diesem verfluchten Saal!“
„Aber gern! Vor allem, um dir und deinen unflätigen Reden zu entkommen!“ Sie drehte sich auf dem Absatz herum und ließ ihn stehen, der Mittelpunkt sämtlicher Blicke.
„Hab ihr auf die Füße getreten …“, erklärte er dem interessiert gaffenden Publikum, dann folgte er Sarah mit gespielt reumütiger Miene, obwohl er am liebsten jeden wild angeknurrt hätte.
Als er endlich das Gedränge hinter sich gelassen hatte, war von Sarah nichts mehr zu sehen. Doch eine dunkelhaarige Schönheit verstellte ihm den Weg. Er stutzte, dann fiel ihm ein, wer sie war. Er hatte Lady Maude Templeton während der letzten Saison kennengelernt.
Die junge Dame schenkte ihm einen mitleidig-gereizten Blick und erklärte: „Sie ist hinaus auf die Terrasse gegangen.“
Während er entschlossen den gleichen Weg einschlug, glaubte er ein resigniertes „Männer!“ zu hören.
Das dumme Ding, dachte er und meinte Sarah, wieso versteht sie nicht, warum ich ihr verschwiegen habe, wer ich bin! Und warum hat sie sich nicht gefreut, mich zu sehen? Er jedenfalls freute sich sehr. Zwar warf es seine Pläne um, aber zum Teufel damit! Sarah war hier, und er wollte nur sie. Wenn er ihr erst die Leviten gelesen hatte!
Auf der von Fackeln erhellten Terrasse flanierten einige munter flirtende Pärchen, doch keine Spur von Sarah. Nun, sie würde in ihrem Zorn nicht hier haltgemacht haben. Er eilte die Treppe hinunter in den Park, bis wohin der Lichtschein nicht mehr reichte, doch ein Stück weiter voraus konnte er auf dem Pfad, der sich zwischen dem dunklen Strauchwerk hinwand, ihr helles Kleid erkennen.
Schnell lief er über den Rasen neben dem Pfad bis hin zu einer Lücke im Gebüsch und schob sich hindurch. Hier machte der Kiesweg einen Bogen zurück zum Haus, und vor dem Mauerwerk stand Sarah, anscheinend in den Anblick einer fröhlichen Gruppe aus Stein gehauener Putten vertieft. Als seine Füße auf den knirschenden Kies trafen, fuhr sie herum, die Augen weit aufgerissen; ihre Brust hob und senkte sich unter dem tief ausgeschnittenen Dekolleté.
„Geh weg!“, stieß sie wütend hervor.
Er blieb nicht nur, sondern trat dicht an sie heran, sodass sie zurückwich, bis ein schräg vorspringender Strebepfeiler sie aufhielt. „Warum bist du so böse auf mich?“
„Das sagte ich schon.“
„Hast du denn wirklich erwartet, das ich mir bei unserem ersten Treffen, kaum dass wir uns auf diese außergewöhnliche Abmachung geeinigt hatten, die Maske vom Gesicht reiße und mich als Earl of Redcliffe vorstelle? Ich war auf deinen Schutz bedacht.“
„Unsinn!“, fauchte sie. „Kannst du dir nicht vorstellen, wie gedemütigt ich mich fühle? Ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass wir irgendwo zufällig aufeinandertreffen könnten? Oder konntest du dir einfach nicht vorstellen, dass eine schlichte Miss Tatton in deinen Kreisen verkehren könnte?“
„Nun, bis dahin hatte ich dich nie irgendwo gesehen!“
„Nein, und wie ärgerlich, dass es dir nun passieren musste, nicht wahr?“
Ihre Wangen flammten, und er sah, dass ihr Zornestränen in die Augen schossen. Am liebsten hätte er sie an sich gerissen und geküsst, bis ihr der Atem stockte.
„Nun, ganz gewiss hatte ich es nicht
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