Historical Collection Band 02
sich niemandem sonst verantworten. Weder ihrer Mutter noch ihrem törichten Vater, der sie alle in Gefahr gebracht hatte. Nun hatte allein ihr Gemahl Macht über sie, und ihr schauderte bei dem Gedanken an das, was sie heute Nacht erwartete.
„Mylady, bestimmt wird ein Schluck Wein nur ihre jungfräuliche Scheu dämpfen“, wandte ihre Cousine Petronilla ein, doch der eisige Blick, der sie traf, ließ sie verstummen.
„Du dummes Ding, es gibt keinen Grund für Scheu. Meine Tochter kennt ihren Platz und ihre Pflicht, ob im Bett des Grafen oder sonst wo.“ In gedämpftem Ton, sodass nur Elise sie hören konnte, fügte sie hinzu: „Wenn du unter ihm liegst, wehre dich nicht, was immer er tut, füge dich. Lass ihn gewähren!“
„Komm mit mir, Cousine“, bat Elise und stand auf. Wenn sie noch einmal den unverfrorenen Anweisungen ihrer Mutter bezüglich der Hochzeitsnacht lauschen musste, würde sie schreien. „Ich brauche frische Luft.“
Als Elise sich abwandte, um zu gehen, fasste ihre Mutter sie mit stählernem Griff beim Arm und zerrte sie zu sich heran.
„Vergiss nicht, du wirst ihm erlauben, mit dir zu tun, was immer er möchte. Verweigere ihm nichts!“, flüsterte sie wütend.
„Ich höre dich sehr wohl, Mutter, ich verstehe dich gut.“ Auch sie flüsterte, dann riss sie sich los. So kühn sie auch gerade auftrat, in Wahrheit wusste sie nicht, was sie von diesem ihrem Ehegemahl zu erwarten hatte.
Seit Langem mahnte ihre Mutter sie mit immer den gleichen Worten. Kaum dass der Heiratskontrakt unterzeichnet gewesen war, hatte sie Elise immer wieder mit Anweisungen überschüttet, um sie auf die Ehe vorzubereiten. Und nicht eine davon erwähnte genau, warum und wozu sie stillhalten sollte, oder was eigentlich sie sich von ihm gefallen lassen müsse. Grundsätzlich wusste sie zwar über den Ablauf der ehelichen Beziehungen Bescheid, doch die Worte ihrer Mutter deuteten ganz klar Dinge an, die bedrohlich oder abstoßend waren.
Rasch wich sie zurück, nahm ihre Cousine bei der Hand und zog sie mit sich. Sie rannte beinahe, wich hier und da Tanzenden aus oder Gästen, die aßen und tranken und das Fest genossen. Endlich lag der Saal hinter ihnen, und sie eilten durch die Gänge ins Freie. Im Burghof grüßte sie kühle, frische Frühlingsluft.
„Sie meint es gut“, erklärte Elise, hielt jedoch mit der Verteidigungsrede für ihre Mutter inne, als sie Petronillas Miene sah.
„Nun, da du verheiratet bist, wird Lord Simon ihr nicht mehr gestatten, dir weiterhin Anweisungen zu erteilen“, verkündete ihre Cousine geradeheraus.
Elise zweifelte, dass ihre Mutter sich durch eine schlichte Zeremonie von ihrer Herrschsucht abhalten ließe. Aber wenn Simons Gemahlin zu sein bedeutete, dass sie eigene Entscheidungen treffen konnte, war ihr dafür alles, was zwischen ihm und ihr geschehen würde, willkommen, und sie betrachtete es als geringen Preis.
Beruhigend tätschelte Petronilla ihr die Hand. „Elise, Lord Simon wir dir ein gütiger Gemahl sein. Alianor sagt …“ Sie unterbrach sich verwirrt und senkte peinlich berührt den Kopf. „Wie konnte ich das dir gegenüber erwähnen, noch dazu am Tag deiner Hochzeit. Bitte, verzeih mir.“
Fast wollte Elise im Boden versinken, weil ihre Cousine die Geliebte ihres Gatten erwähnte. Dann jedoch wurde ihr bewusst, dass ebendiese Lady Alianor ihr nützen könnte, die sich der intimen Bedürfnisse Lord Simons annahm. Sie war die hochgeborene Witwe eines Vasallen von Simon, und sie wusste, was im Ehebett zu erwarten war. Selbstverständlich würde sie nicht selbst mit der Frau sprechen können. Es musste jemand anders her … jemand wie Petronilla.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Cousine, es ist kein Geheimnis, dass mein Herr Gemahl ihr seine Aufmerksamkeit schenkt.“
„Dennoch war es gedankenlos von mir, sie zu erwähnen.“
Elise beugte sich dichter zu ihrer Cousine, schaute sich hastig um, um zu sehen, ob sie wirklich allein waren, und sagte schließlich: „Ich vergebe dir, aber du musst mir einen kleinen Dienst erweisen.“
„Was wünschst du denn?“, fragte Petronilla zögernd.
„Ich möchte wissen, was Lady Alianor dir von meinem Gemahl erzählt hat.“
Als Antwort darauf errötete Petronilla heftig und verschluckte sich beinahe. Also hatte Lady Alianor ihr tatsächlich das ein oder andere über Simon anvertraut. Gut! Vielleicht werde ich noch eine Menge lernen, ehe ich in der Hochzeitsnacht mit den Tatsachen konfrontiert werde,
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