Historical Collection Band 03
ist aufgegangen. Bald wird es zu heiß sein, um sich umzuschauen“, sagte sie und kleidete sich hastig an. „Wenn wir andere Nachweise für Shal’aal finden wollen, müssen wir jetzt damit anfangen. Deswegen sind wir schließlich gekommen, oder?“ Juliette griff nach ihrem Umhang und ging entschlossen auf den Weg zu, der sie nach Persimmanion zurückführen würde. Sie wusste, dass Khalid ihr folgte, wagte es aber nicht, sich nach ihm umzudrehen. Mühsam hielt sie die Tränen zurück, während sie unbeirrt auf den Tempel zuhielt und verzweifelt versuchte, sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
Im Gegensatz zum Rest der Stadt war der Tempel aus weißem Marmor errichtet worden. Das Dach des schlichten Gebäudes war eingestürzt, doch die meisten seiner Wände standen noch, mehr oder weniger intakt. Das riesige Portal wurde von zwei kunstvoll verzierten Säulen flankiert. Darauf befanden sich Darstellungen eines Gartens, in dem man die Göttin Shal’aal zwischen den wuchernden Blättern ausmachen konnte. Juliette begab sich ins Innere und blieb vor dem Altar, einer langen, niedrigen Marmorplatte, stehen. „Sie gehört hierher, da bin ich sicher“, sagte sie und drehte sich, allen Mut zusammennehmend, zu ihm um. „Es muss eine Nische, einen Spalt oder so etwas geben, in den man sie stellen kann.“
Vor nur sechs Tagen hatte sie ihn genauso angesehen – trotzig, herausfordernd, entschlossen, ihn nicht merken zu lassen, was wirklich in ihr vorging. Vor nur sechs Tagen, und doch kam es ihm wie eine Ewigkeit vor. Es war, als hätte er sein ganzes Leben lang auf diesen Moment gewartet, auf diese Frau. Er würde nicht zulassen, dass er sie jetzt verlor.
„Khalid? Die Göttin, hast du sie?“
„Es gibt nur eine Göttin, an der ich in diesem Augenblick interessiert bin. Sieh mich an, Juliette.“
Als sie es tat, fiel ihr ein Leuchten in seinen Augen auf, das sie bisher nicht gesehen hatte. Obwohl sie alles unternahm, um es zu unterdrücken, erwachte eine winzige Flamme der Hoffnung in ihr wie eine Fackel, die durch einen Luftstoß angefacht wird. „Was ist?“
„Wir sind füreinander bestimmt, du und ich, ma belle Juliette. Ich habe über die Vorstellung gelacht, Shal’aal könnte eine Art Omen darstellen, aber das tut sie. Sie hat uns zusammengebracht. Du bist für mich bestimmt, so, wie ich für dich bestimmt bin. Ich liebe dich, Juliette.“
„Khalid! Wenn du das wegen gestern Nacht sagst, dann musst du nicht …“
„Doch, Juliette, das muss ich! Aber nicht, weil ich mich dazu verpflichtet fühle, sondern weil ich nicht anders kann. Juliette, meine Juliette, gewiss spürst doch auch du so wie ich, dass du für mich hierhergeschickt wurdest. Dass wir füreinander geschaffen sind, vom Schicksal dazu ausersehen, zusammen zu sein.“
„Aber es ist unmöglich, Khalid. Das musst du doch wissen.“
„Nichts ist unmöglich, wenn man es nur will. Nichts wird mich davon abhalten, dich zu meiner Frau zu machen, dich an meine Seite zu stellen, wo du hingehörst. Abgesehen von einer einzigen Sache – wenn du mich nicht liebst.“ Er zog sie in die Arme. „Liebst du mich, Juliette? So wie ich dich liebe?“
„Oh Khalid, ich liebe dich so sehr, aber …“
„Was? Machst du dir Sorgen wegen deiner Familie, weil du nie wieder nach Frankreich zurückkehren würdest?“
„Ich habe jetzt keine Familie mehr, und auch keine Pflicht einem Land gegenüber, das meinen armen Vater benutzte und schmähte. Vielmehr geht es darum, dass du ein arabischer Herrscher bist, Khalid. Ich bin nur eine Ausländerin, eine Fremde in deinem Land. Deine Untertanen …“
„Meine Untertanen sollten über mein großes Glück frohlocken. Mit dir an meiner Seite werde ich ein sehr viel besserer Herrscher sein. Sei meine Prinzessin, Juliette. Sag, dass du mich liebst.“
Er liebte sie. Es war wirklich wahr. Juliette konnte es nicht ganz glauben, obwohl es eigentlich nicht anders sein konnte. „Ich liebe dich, Khalid.“ Sie lachte vor überströmender Freude. „Ich liebe dich“, rief sie noch lauter, und ihre Worte hallten im Tempel wider. „Je t’aime, Khalid. Je t’adore.“
Abrupt riss er sie in die Arme und drückte sie so fest an sich, dass es sie eigentlich hätte schmerzen müssen, wenn es nicht so wundervoll gewesen wäre. „ Ma belle! Jetzt werde ich dir zeigen, wie es ist, geliebt zu werden. Tief und von ganzem Herzen geliebt. Jetzt werden wir Shal’aal, unserer Liebesgöttin, gemeinsam unseren innigsten Dank
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